Immer wieder Mut für Neues

DOKUMENTATION / 40 JAHRE „DAS ZENTRUM“

06/10/21 Ein Lese- und Bilderbuch, 170 Seiten stark, hat der Kulturverein Das Zentrum zu seinem Vierzig-Jahre-Jubiläum herausgegeben. Daraus ein Grundsatztext von Elisabeth Schneider. Sie war von 1991 bis 1998 Obfrau des Vereins, seither ist sie künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin.

Von Elisabeth Schneider

In Radstadt gibt es seit vierzig Jahren ein überaus vielfältiges kulturelles Programm mit vielen Veranstaltungen rund ums Jahr. Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre war die Sehnsucht nach einem anderen Kulturbegriff und Kulturerleben so groß, dass wie selbstverständlich und unaufhaltsam die ersten Kulturinitiativen am Land gegründet wurden. Städtisches Kulturleben auf das Land zu bringen als Gegenpol und Ergänzung zu Blasmusik und Trachtenvereinen. Nicht immer läuft das konfliktfrei, aber meistens erfolgreich.

Lesungen, Kammermusik- und Jazzkonzerte, Kabaretts und Kleinkunst: Wir sind stolz, immer wieder interessante künstlerische Persönlichkeiten zu uns zu bringen, ein abwechslungsreiches und innovatives Angebot vorstellen zu können, das immer wieder zu überraschen versteht.

Im Rückblick: Es gab einen Aufbruch und eine neue Form von Lebendigkeit, die Mut machte, Neues und Ungewohntes zuzulassen. Und: Es gab eine öffentliche Hand, die das förderte. Mit der im Jahre 1981 erfolgten Gründung des Kulturvereines Das Zentrum lässt sich eine spannende Entwicklung von Kulturarbeit dokumentieren. Im Vordergrund standen und stehen die Menschen mit ihren unterschiedlichen Lebensentwürfen und Bedürfnissen. Es geht um unsere Stadt, unser Umfeld und einen Lebensraum mit zukunftsorientierten Entwicklungsmöglichkeiten.

Bereits 1289 wurde Radstadt als historisch definierter Hauptort der Enns-Pongau-Region das Stadtrecht und seinen Bürgerinnen und Bürger alle städtischen Rechte, Privilegien und Freiheiten verliehen – ähnlich wie denen der Stadt Salzburg. Der große europäische Bauernaufstand 1525/1526 fand in Radstadt sein Ende. Aus dieser Zeit stammt die historische Anlage: Stadtmauer und drei Stadttürme.

Der Lauf der Zeit bringt viele Veränderungen und mit der Entwicklung des Tourismus verlor die Stadt immer mehr ihre strategische und regionale Bedeutung. Es gehört zum Verständnis von Kultur und Geschichte, dass in unterschiedlichsten Projekten die Arbeit des Kulturvereines Bezug auf historische Ereignisse nimmt.

Patentrezepte für eine erfolgreiche Kulturarbeit im ländlichen Raum gibt es nicht. Wohl aber steht außer Streit, dass es mit den handelnden Personen zusammenhängt: Da gibt es Menschen mit Visionen und Ideen, die dazu beitragen, die Lebensqualität und den Sinn für lokale und regionale Stärken in den Vordergrund zu stellen. Da gibt es den Willen zur Gestaltung einer zeitgemäßen Kulturarbeit, die es sich zur Aufgabe macht, wertschätzend, neugierig und mit großem Engagement mit den Menschen vor Ort, eine Gesellschaft immer wieder neu zu denken – im kulturellen, im sozialen und im politischen Sinne. Da gibt es politische Entscheidungsträgerinnen und -träger, die das Potential von engagierten Menschen erkennen, unterstützen und fördern.

Es sind innovative Kulturangebote, die neben anderen Einflussfaktoren die Menschen dazu befähigen, ihren eigenen Lebensraum zu gestalten und einen Wandel positiv mitzutragen. Gerade die auf Kontinuität und Einbindung von Traditionen angelegte Alltagskultur scheint ein Gegenpol zu den Auswirkungen eines immer schnelleren gesellschaftlichen Wandels zu sein und Sicherheit zu bieten.

Als kleiner Verein haben wir die Möglichkeit, schnell auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren zu können. Kunst- und Kulturprogramme, so wie wir sie verstehen, sind keine starren Korsette, sondern bewegliche Modelle, die die permanente Veränderung unserer Gesellschaft mittragen. Allerdings, und auch das ist die Erkenntnis aus vielen Jahrzehnten: Kulturarbeit braucht einen langen Atem. Die Covid-19-Pandemie hat uns gelehrt, dass es von all dem noch mehr braucht, vor allem Mut und Vertrauen in die Kraft der eigenen Arbeit.

Lebendige Diskussionen und Auseinandersetzungen mit Themen und Inhalten, die nicht nur unsere vertraute Lebenswelt betreffen, ermöglichen uns auf kreativem Weg unsere Komfortzonen zu verlassen und neue Perspektiven zu entwickeln. Zeitgemäßes kulturelles Schaffen fällt nicht in die Kategorie „Luxus“, sondern bietet über unterschiedlichste Angebote Möglichkeiten der Auseinandersetzung, Diskussion, Anregung, Konfliktfreude und somit die Fähigkeit, neue Werte und Identitäten zu entwickeln.

Vierzig Jahre Kunst- und Kulturarbeit für Radstadt und die Region ist ein Beispiel für Kontinuität, Gestaltungswillen und Gemeinschaftssinn. Diese erfolgreiche Kulturarbeit hat dazu beigetragen, dass unsere Stadt wieder eine zentrale Bedeutung im Enns-Pongau hat: Radstadt ist das kulturelle Zentrum der Region.

Der Stadtturm aus dem 15. Jhdt. steht somit wie ein Leuchtturm für regionale, lokale Kunst- und Kulturarbeit. Möge die Beständigkeit im besten Sinne weitergelebt und weiterentwickelt werden. Jedes Jahresprogramm wieder.

40 Jahre Kulturkreis Das Zentrum. Buchpräsentation, Lesungen, Musik, Gespräche – Freitag, 8.10., 18 Uhr, Zeughaus am Turm – www.daszentrum.at
Bild: Das Zentrum
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