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Geschriebenes aus der Keltenzeit?

HINTERGRUND / KELTEN-FORSCHUNG

27/05/21 Ein unscheinbares Tontäfelchen aus der eisenzeitlichen Salzmetropole auf dem Dürrnberg bei Hallein, das schon 1982 bei Ausgrabungen gefunden wurde, trägt ominöse Schriftzeichen. Man meinte, griechische Buchstaben erkennen zu können, und wies das außergewöhnliche Stück den Kelten der Zeit um 400–250 v. Chr. zu. Zeitlich daneben getroffen, wie sich jüngst zeigte.

Freilich: Dass die Kelten Kontakte bis nach Griechenland unterhielten, ist durch archäologische Funde auf dem Dürrnberg belegt. Aber mit diesem Tontäfelchen ist es konkret nun nichts. Nach ursprünglicher Deutung wäre es eines der frühesten Schriftzeugnisse in Mitteleuropa und ein weiterer Beleg für die Fernkontakte, die das Wirtschaftszentrum hoch über der Salzach pflegte.

Schriftanalysen des österreichischen Sprachwissenschaftlers und Keltologen David Stifter, der an der Universität Maynooth in Irland lehrt, ließen Zweifel aufkommen, die nun bestätigt wurden. David Stifter wies nach, dass das Keramiktäfelchen keine griechischen, sondern lateinische Zeichen trägt und aus sehr viel späterer Zeit, frühestens der Spätantike (ca. 400 n. Chr.) stammt. Hierdurch stand eindeutig fest, dass das Keramikfragment kein Relikt der Dürrnberger Kelten ist.

Im Projekt CCeLL – Cisalpine Celtic Language and Literacy der Epigraphikerin Corinna Salomon an der Universität Wien wurde das Schriftzeugnis nun naturwissenschaftlich analysiert. Aus dem Depot des Salzburg Museum brachte man es an das TRIGA Center Atominstitut der TU Wien, wo es von Robert Bergmann mit dem sogenannten Thermolumineszenz-Verfahren absolut datiert wurde. Diese Methode der Altersbestimmung beruht auf der Lumineszenzemission von Mineralien wie Quarz und Feldspat, die in natürlicher Tonerde vorkommen. Solche Materialien speichern Strahlungsenergie, die bei Erwärmung als Leuchten wieder freigesetzt wird. Dieser Vorgang läuft zum Beispiel auch beim Brennen von Tonerde ab, wodurch die „archäologische Uhr“ auf null gestellt wird. Von diesem Zeitpunkt an wird die natürliche Umgebungsstrahlung kontinuierlich gespeichert und ergibt eine messbare Dosis, die man messen kann. Zur Datierung wird die Probe auf eine Temperatur von 500°C erwärmt und die gespeicherte Energie, die durch Emission von Thermolumineszenz abgegeben wird, gemessen. Dadurch lässt sich jener Zeitraum bestimmen, der seit dem letztmaligen Erwärmen des Objekts – etwa dem Brennen eines Keramikobjektes – vergangen ist.

Eine winzige Probe aus dem Inneren des Keramikplättchens genügte für eine Überraschung: Das Objekt ist noch viel, viel jünger als auch von Zweiflern vermutet. Es stammt aus dem Hochmittelalter.

Die exakte Zeitbestimmung auf ein Alter von etwa achthundert Jahren stellt die Inschrift also in den Kontext des mittelalterlichen Salzabbaus. Sie stammt also mit Sicherheit nicht aus dem Umfeld des keltisch-eisenzeitlichen Bergwesens.

Als ab dem 12. Jahrhundert der Salzbergbau durch die Fürsterzbischöfe wieder aufgefahren wurde, machte die komplexe Logistik schriftliche Kommunikation nötig. In der nahen Residenz der Fürsterzbischöfe in Salzburg, die mit dem „weißen Gold“ immensen Reichtum erwarben, waren sicherlich genügend Mönche und Kleriker des Schreibens und Lesens kundig – wer die Buchstaben allerdings in das gebrannte Keramikstück geritzt hat und was sie genau bedeuten, bleibt weiter offen.

Wie stand es mit der Schrift in keltischer Zeit? Die Kelten selbst hatten ja keine, sehr wohl aber die Römer. David Stifter von der Maynooth University erklärt: „Die Verwendung von Schriftlichkeit im Ostalpenbereich hat sich erst richtig mit der Eingliederung in das römische Reich ausgebreitet. Allerdings wurde die lateinische Schrift ganz selten zur Wiedergabe der lokalen, keltischen Sprachen verwendet.“ Das sei ein Unterschied etwa zu Gallien. Im heutigen frankreich gebe es zahlreiche Schriftzeugnisse in gallischer Sprache.

„Mit der genauen Datierung des Keramiktäfelchens ist ein weiteres Rätsel des keltischen Dürrnbergs endgültig gelöst“, freut sich der Leiter der Kelten-Forschung auf dem Dürrnberg, Holger Wendling. „Dass es aus sehr viel späterer Zeit, dem Hochmittelalter stammt, mindert die Bedeutung der keltischen Epoche nicht – aus ihr haben wir andere Nachweise für Kontakte bis nach Griechenland, Italien oder an die Ostsee!“ (Salzburg Museum)

Bilder: Salzburg Museum (1); TRIGA Center Atominstitut, TU Wien (1); Maynooth University (1)

 

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