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Teufelsgeiger aus drei Jahrhunderten

DIABELLI SOMMER / ALEXANDER HOHENTHAL

30/06/10 Alexander Hohenthal lädt morgen Donnerstag (1.7.) beim Mattseer Diabelli Sommer zu einem Streifzug durch die „Bibel“ und den „Katechismus“ der Violinliteratur. Virtuose Feuerwerke sind das: „Aber dahinter steht nie reiner Selbstzweck, sondern ein starkes Ausdrucksbedürfnis.“

„Altes und Neues Testament der Violinmusik“: So hat Yehudi Menuhin hat die Kompendien des deutschen Barock-Großmeisters und des legendären italienischen „Teufelsgeigers“ genannt. Die Sonaten des belgischen Star-Geigers und Komponisten wären dann „Katechismus des modernen Violinspiels“: Die drei Zyklen, im Abstand von jeweils etwa einem Jahrhundert entstanden, sind der technische und emotionale Prüfsteine für jeden Solisten.

Alexander Hohenthal verknüpft Teile aus den „Sonaten und Partiten“ von Bach, den Capricci von Nicolo Paganini und den Solosonaten von Eugène Ysaÿe zu einem kunstvoll „gespiegelten“ Programm. „Wenn man alle drei Zyklen gespielt hat, kommt man zwangsläufig auf Kombinationen“, sagt der Geiger. Alle drei Werkzyklen seien „exemplarisch“, zudem gebe es „einen Bogen von Bach zu Ysaÿe“, der zwar vordergründig technisch mehr mit Paganini zu tun habe, wegen der Tonarten und die Schreibweise aber „näher zu Bach“ führe: „Beim Üben hat es irgendwann ‚Klick’ gemacht und mir war klar, dass es nach der Pause spiegelverkehrt weitergehen muss.“

Zu den unterschiedlichen Persönlichkeiten Bach, Paganini, Ysaÿe sagt der Künstler: „Die Größe Bachs erreicht natürlich niemand. Aber man spürt auch bei den anderen Komponisten eine Transzendenz über das rein Geigerische hinaus. Es ist nicht die Geige zuerst, die ein virtuoses Feuerwerk provoziert. Da geht es nie um Selbstzweck, sondern um ein starkes Ausdrucksbedürfnis.“

Hohenthal sieht auch Verbindungen durch die Werkstrukturen: „Da gibt es Gemeinsamkeiten, die nicht zufällig sind.“ Er glaube etwas, dass kein Komponist Tonarten willkürlich gewählt habe: „E-Dur ist die Liebestonart, d-Moll handelt immer von Vergänglichkeit.“ Die Passacaglia oder Chaconne sei ein Totentanz, „und die von Bach ganz besonders“. Bach habe sie „mit allergrößter Wahrscheinlichkeit“ 1720 nach dem Tod seiner geliebten ersten Frau Maria Barbara geschrieben. Der Rufname Barbara stehe sogar in den Noten, erklärt Hohenthal: Die Noten „b“ und „a“ kämen vor. Dazwischen das „d“ - was aber als italienisches „re“ im Sinne von „r“ zu sehen sei: „Exponiert- an Schlüsselstellen ruft er gleichsam den Namen.“

Auch die Ballade von Ysaÿe mehr als ein virtuoses Variationenwerk, sondern ein expressives Stück, zu dem das 24. Capriccio von Paganini passe: „Wegen der Variationstechnik und durch die markante Basslinie, durch die das Stück an die Form der Passacaglia angelehnt ist.“

Während Bach und Paganini ihre Solostücke für den eigenen Gebrauch, ja für Übungszwecke, komponiert haben, habe Ysaÿe seine Sonaten großen Kollegen aus der geigenden Zunft gewidmet: „Die Ballade spiegelt auch die Persönlichkeit von George Enescu, die sechste Sonate die des hochbegabten Spaniers Manuel Quiroga, der das Stück nach einem tragischen Unfall gar nicht mehr spielen konnte.“ Trotz dieser programmatischen Ausrichtung sei es absolute Musik.

Ysaÿe war übrigens der einzige „Geiger-Komponist“, der Akkorde mit mehr als vier Stimmen verlangt: „Sogar fünf- bis siebenstimmige Akkorde, immer mit klug platziertem Arpeggio.“

Als Schüler von Ruggiero Ricci stehe man in der Tradition der unbegleiteten Solowerke, denen man sich immer wieder widmet. Als junger Geiger braucht man ein Vehikel, um sich technisch zu vervollkommnen, man möchte sich vor allem vor sich selbst beweisen. Doch im Lauf der Zeit kommen andere Ansprüche, man entdeckt viel mehr, was alles hinter den Noten steckt, man entdeckt auch, wie man diese Werke für die Menschen unserer Zeit interpretieren muss, ohne die Geschichte zu verleugnen. Es ist wichtig, dass auch junge Menschen die Fähigkeit erlernen, große Musik konzentriert anzuhören und deren Gehalt zu empfinden, inmitten der Lärmglocke, in der wir heute leben. Ja, und was für mich besonders deutlich geworden ist - alle drei Komponisten, zumindest in diesen Stücken auch Paganini und Ysaÿe, sind größer als die bloßen technischen Anforderungen an das Instrument. (Diabelli Sommer/dpk)

Der Zauber der Violine: 1. Juli, 20 Uhr, Stiftskirche Mattsee: Alexander Hohenthal spielt Violinsolowerke von Bach, Paganini und Ysaÿe. - www.diabellisommer.at
Bilder: www.alexanderhohenthal.com


 

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