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Was, wenn nicht Radio?

HINTERGRUND / RADIOFABRIK / OHRENBLICKE

29/10/10 Papa Joe braucht, wenn er seine "Garage" betritt, nicht das Licht aufzudrehen. Er ist blind. "Papa Joe's Garage" heißt eine Radiofabrik-Schiene, die zwei Mal pro Monat gesendet wird und sich rasch zu einer Plattform für Nachwuchsmusiker aus Salzburg entwickelt hat.

altPapa Joe ist einer der blinden Sendungsgestalter in der Radiofabrik. Ein anderer ist Severin Spitzer. Er ist schon so integriert ins Radiofabrik-Team, dass er seine Erfahrungen auch als Workshop-Referent für blinde Radiomacher im Bereich Audioschnitt weitergeben kann.

"Ohrenblicke" ist ein länderübergreifendes Projekt freier Radiostationen. Es geht um Radiokunst von Blinden und Sehenden. Die Salzburger Radiofabrik hat dieses EU-Projekt im Oktober des Vorjahres mit gemeinsam mit Radio Z Nürnberg, Blinde und Kunst e.V Köln und Mira Media Utrecht auf die Wege gebracht. Der Ansatzpunkt: Blinde Menschen hören aufgrund ihrer Behinderung in der Regel bewusster als Sehende. Aber nur selten bekommen sie Möglichkeit, ihre Fähigkeiten kreativ einzusetzen. Mit den "Ohrenblicken" will man solche brachliegenden Potentiale nutzen. Blinde und sehbehinderte Menschen in Köln, Nürnberg und Salzburg gestalten Sendungen zu selbstgewählten Themen.

Damit so etwas möglich ist, bedarf es freilich auch technischer Vorbereitungen. In der Radioproduktion sind die Anzeigen von technischen Parametern sowie die Bedienungselemente auf Mischpulten in der Regel optisch ausgeführt. Barrierefreiheit im Sendestudio war also gefragt. Das hat den technischen Leiter der altRadiofabrik, Marcus Diess, zur Entwicklung eines Gerätes veranlasst, das optische Signale in akustische Signale oder in Braille-Schrift übersetzt. "StudioGuard", so der Name dieser neuen Technologie, bietet blinden Menschen die Möglichkeit, selbständig im Bereich der Tongestaltung bzw. Tontechnik tätig zu werden.

Innerhalb des ersten Jahres wurden mehr als ein Dutzend Beiträge, Features und Magazinsendungen produziert, die über den Projekt-Weblog www.ohrenblicke.eu zum Nachhören und Download zur Verfügung stehen. Die redaktionellen Themen reichen von den Reiseerfahrungen eines blinden Rucksacktouristen über Musikerportraits bis hin zu einem Feature über ein Fotoprojekt von Blinden. Auch technische Hilfsmittel, die Sehbehinderten den altAlltag erleichtern, waren schon Thema in den Beiträgen.

"Wesentliches Ziel von Ohrenblicke ist, dass Blinde und Sehbehinderte eigenständig im Radio arbeiten können", sagen Radiofabrik-Chef Alf Altendorf und Chefredakteur Georg Wimmer. "In Workshops zu den Themen Sprechen und Stimme, digitaler Audioschnitt,

Medienrecht und kreative Sendungsgestaltung wurden und werden die  Redaktionsmitglieder schrittweise an die Herausforderungen einer Radioproduktion herangeführt."

Was die Initiatoren der "Ohrenblicke" besonders freut: Die Salzburger Ohrenblicke-Redaktion wurde für den österreichischen altRadiopreis der Erwachsenenbildung in der Sparte Interaktives/Experimentelles nominiert. "Das bestätigt, dass die Sendungen durchaus ansprechendes Niveau haben." Das Projekt "Ohrenblicke" bewegt sich an der Schnittstelle zwischen Kunst/Kultur und sozialintegrativem Anspruch.

Das jüngste Redaktionsmitglied der Salzburger Ohrenblicke-Gruppe ist erst zwölf Jahre alt, der älteste Teilnehmer feierte kürzlich seinen 70 Geburtstag. Bei einem Projekttreffens in Salzburg tauschen dieser Tage die Redaktionsgruppen erstmals ihre Erfahrungen aus. Die Gruppen in Köln, Nürnberg und Salzburg umfassen jeweils zwischen neun und zwölf Personen. Wie alle gesellschaftlichen Gruppen setzen sich auch die Ohrenblicke-Redaktionen sehr heterogen zusammen, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bringen unterschiedlichste Interessen und Fähigkeiten ein.

Erfreulich ist auch das Anwachsen der Ohrenblicke-Community auf Facebook. Die Gruppe hat inzwischen mehr als 2.500 Mitglieder aus dem deutschsprachigen Raum. (Radiofabrik/dpk-krie)

Ab 1. November 2010 geht “Ohrenblicke” auf der Radiofabrik wöchentlich on Air: Jeden Montag ab 17.30 Uhr, Wiederholung am Sonntag ab 13 Uhr, auf den Fequenzen der Radiofabrik 107,5 MHZ und 97,3 MHZ sowie im Kabelnetz der Salzburg AG (Cablelink) 98,6 MHZ oder über Livestream auf www.radiofabrik.at
Die Liedermacherin Andrea Eberl, gebürtige Wienerin und Mitglied der Ohrenblicke-Redaktion in Köln, gastiert am Donnerstag, 4. November, um 21 Uhr im Musikcafe Heinz (Alpenstraße 73) mit ihrem Soloprogramm. (www.andreaeberl.de)
Der "Ohrenblicke"-Blog: http://blog.radiofabrik.at/ohrenblicke Die "Ohrenblicke"-Facebookgruppe: www.facebook.com/OhrenblickeRadiokunstvonBlindenundSehenden
Bilder: Radiofabrik

 

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