Die Blase in ihrer reinsten Form
NEU IM KINO / WINWIN
08/03/16 Könnte es sein, dass es all das gar nicht gibt? Die Summen mit der unüberschaubaren Nullenmenge dahinter. Oder die Ansprüche der „Märkte“ – und was sich heutige Wirtschafter in einem globalen System sonst noch so alles ausgedacht haben... Der Film „WinWin“ von Manfred Hoesl erhärtet den Verdacht nachdrücklich.
Von Reinhard Kriechbaum
Da ist also der gute, mittelalte, aus der Jetztzeit gekippte österreichische Unternehmer. Wohnt gediegen zwischen alten Möbeln, sitzt am Klavier und klimpert ein Menuett. Kunstsinn und Traditionsbewusstsein stehen ihm ins Gesicht geschrieben. Leider nicht der Geschäftserfolg. Aber da rücken sie auch schon an, die smarten Firmenretter. Wenn erst sie das Sagen haben und die Firma eingeknüpft ist ins globale Netzwerk, dann geht’s ab. „WinWin“ für alle Seiten...
Eine Ministerin ist für neue Handtaschen als nettes Mitbringsel zum Meeting durchaus empfänglich. Die Gewerkschaftsvertreterin ist auch rasch auf die „richtige“ Seite gezogen. Es fehlen noch Aufsichtsratmitglieder fürs neu „aufgefangene“ Unternehmen? Ein paar Sandler als Statisten sind rasch aufgeklaubt. Die Sache nimmt surreale Züge an. Zwischendurch wird dem Wirtschaftsimperium eine Kunstsammlung einverleibt, und mit dem Hafen und all seinen Werften und Piers wird es wohl auch klappen.
Daniel Hoesl heißt der Regisseur dieses Streifens, der bei der „Diagonale“ in Graz durchaus infrage gekommen wäre für den Hauptpreis. Immerhin: Die Preise für die beste Bildgestaltung und das Beste Szenebild hat er bekommen. Der 1982 geborene Regisseur steht für ein Non-profit-Filmunternehmen. „Alle Mitwirkenden, vom Schauspieler bis zum Koch, bekamen gleich viel Geld – gedeckelt nach oben“, erklärt der unorthodoxe Filmemacher.
„Kunst ist ein kultureller Wert. Wenn Geld dabei im Vordergrund steht, wäre das ihr Untergang. Dann wäre sie abgeschafft.“ Whow, so redeten zuletzt die Achtundsechziger. Für „WinWin“ bleibt Hoesl jedenfalls seiner Einstellung treu: Der Streifen ist eine grelle Parodie auf die Globalisierung der Wirtschaftswelt, ein Frontalangriff auf die Macht des Geldes in Form einer Farce.
Maßlos überzeichnet? Freilich – aber das ist das konsequent eingesetzte Stilmittel für den Film. Kein Bild war zu abgegriffen. Daniel Hoesl fügte Klischee an Klische, schuf eine Montage aus Nonstop-Nonsens, der so biegsam und geschmeidig daherkommt wie die smarten Vertreter eines für den Einzelnen undurchschaubaren Wirtschaftssystems.
Der Höhepunkt: Die Finanzprüfer stehen ins Haus, kommen unangemeldet daher mit Wägelchen, um Akten zu beschlagnahmen und fortzuführen. Aber da ist nichts, außer einem Großraumbüro mit fulminanter Aussicht auf Wien. Kein Möbelstück, keine Firmenunterlagen, nicht mal eine Portokassa. Die Blase in ihrer reinsten Form. Für die Finanz ist da im Wortsinn nichts zu holen. In einem solchen Büro können die Firmeneigner aus Jux mit dem Segway spazieren fahren – so wie sie Schlitten fahren mit allen, die nolens volens mittun in dieser Scheinwelt des „WinWin“. Und das filmisch im altmodischen „Fernsehbildformat“ 4:3, was zu den designten Interieurs sowieso schon wie die ultimative Parodie anmutet.