Armer Larry, böse Welt

A SERIOUS MAN

25/01/10 Joel und Ethan Coen nehmen das jüdische Gesellschaftsleben der 60er Jahre aufs Korn und denken sich dabei immer neue Qualen für ihren ernsthaften Mann aus.

Von Michael Russ

Der Physikprofessor Larry Gobnik (Michael Stuhlbarg) lässt sich beste Gesundheit bestätigen. Beim Smalltalk mit dem Hausarzt kommt man noch auf die bevorstehende Bar Mizwa von Larrys Sohn Danny (Aaron Wolf) zu sprechen, ein wichtiger Tag im Leben eines jüdischen Jungen. Danny sieht das anders, die hebräische Schule langweilt ihn zu Tode, der alte Lehrer beschlagnahmt sein Taschenradio und die darin versteckten zwanzig Dollar, gerade erst von der Schwester geklaut und dazu bestimmt, die Schulden, die er bei einem Klassenkameraden, der ihn mit Marihuana beliefert, zu bezahlen.

Sarah (Jessica McManus), die besagte Schwester, hat das Geld ihrerseits Larry geklaut, was sie regelmäßig macht, man kann schließlich nicht früh genug damit anfangen, Geld für eine Schönheitsoperation in Sachen Nase zu horten. Einige Tage später wird Larry deswegen seine Frau Judith (Sari Lennick) verdächtigen, ihm heimlich Geld aus der Brieftasche zu nehmen. Nachdem sie ihn inzwischen mitsamt seinem schmarotzenden Bruder Arthur in ein Motel ausquartiert und das gemeinsame Konto abgeräumt hat, weil sie die Scheidung will, um einen schleimigen, deutlich älteren, gemeinsamen Freund heiraten zu können, scheint Larrys Irrtum verständlich und verzeihlich.

Von all dem und vielen andere Dinge, die auf ihn einstürzen, hat Larry noch keine Ahnung als er beim Arzt sitzt.

Die Coens lassen ihrer Phantasie freien Lauf, wenn sie sich immer neue Qualen für ihren Protagonisten ausdenken. Ein dubioser Nachbar auf der einen und eine laszive Nachbarin auf der anderen Seite, ein Bestechungsversuch durch einen Studenten, Arthurs Schwierigkeiten mit der Polizei, die Larry bereinigen muss, und so weiter und so weiter. Der arme Larry hat eine lange Durststrecke, bis es nach Licht am Ende des Tunnels aussieht ….

Schon lange hat man keine Filmfigur mehr gesehen, die man ständig in den Hintern treten möchte, weil sie so völlig unfähig ist, sich zur Wehr zu setzen. Schwer vorstellbar, dass irgendjemand diese Rolle besser darstellen könnte als Michael Stuhlbarg das tut. Obwohl alle seine Partner ihre Rollen glaubwürdig spielen und Emotionen in den Zuschauern wecken, verblassen sie neben Stuhlbarg, der ja eigentlich den blassen Verlierer gibt.

Die Coens setzen sich in ihrer Geschichte mit der jüdischen Gesellschaft der 60er Jahre auseinander, wie sie sie in ihrer eigenen Jugend erlebt haben wollen. Es gibt jede Menge humorvolle aber kräftige Seitenhiebe gegen Rabbiner, Anwälte und Rituale. Die Suche nach einer Antwort von HaSchem, dem jüdischen Gott, warum ihm, Larry, all dies zustößt, bleibt – wie in einem Coen-Film nicht anders zu erwarten – erfolglos. Lebensberatung ist nicht ihre Sache, aber dass sie sich auf die Inszenierung von Geschichten verstehen, in der sich die Protagonisten – zum Vergnügen der Zuschauer – nach Hilfe und Lebensberatung sehnen, beweisen sie hier eindrucksvoll.

Fotos: Tobis