Aus den vielen Lebenswelten
DAS KINO / LATEINAMERIKA-FILMFESTIVAL
15/04/15 Heute Mittwoch (15.4.) beginnt das Lateinamerika-Filmfestival im Salzburger Filmkulturzentrum „Das Kino“. Es ist jedes Jahr – unterdessen zum 11. Mal – ein Publikumsmagnet. Das Festival dauert bis 26. April.
„Diese persönliche Auswahl von dreißig Spiel-, Dokumentar- und erstmals auch Kurzfilmen zeichnet ein spannendes Panorama des aktuellen Filmschaffens in Lateinamerika“, sagt Kuratorin Renate Wurm vom „Kino“. Sie weist auf die raffinierte Erzählweise, die ästhetischen Bildsprache und nicht zuletzt die niveauvolle Unterhaltung der Filme aus dieser Region hin. „Der lateinamerikanische Film feiert sowohl im Kino als auch bei Festivals große Erfolge, wie das diesjährige Internationale Filmfestival von Berlin eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. Und es ist uns gelungen, gleich zwei Berlinale-Preisträger noch ins Programm mitaufzunehmen.“
Der brasilianische Film „Que horas ela volta?“ (Wann kommt sie zurück?) der Regisseurin Anna Muylaert, war der Publikumsliebling der Berlinale, eine wunderbare Komödie voller Witz, Spannung und Herzenswärme. Der Streifen ist auf der Berlinale sowohl mit dem Panorama-Publikumspreis als auch mit dem Preis des Internationalen Filmkunsttheaterverbands ausgezeichnet worden. „El botón de nácar“ (Der Perlmuttknopf) von Patricio Guzmán ist in Berlin sowohl mit dem Silbernen Bären für das Beste Drehbuch als auch mit dem Preis der Ökumenischen Jury bedacht worden. Es wird anhand des Wassers vor der chilenischen Küste von den Ureinwohnern Patagoniens, von englischen Seeleuten und politischen Gefangenen erzählt. Beide Präsentationen sind Österreich-Premieren.
Mit „Conducta“ (Das Verhalten) geht es heute Mittwoch (15.4.) los: Dieser kubanische Streifen avancierte auf der Zuckerrohrinsel zum erfolgreichsten einheimischen Film überhaupt. Regisseur Ernesto Daranas hinterfragt eine der größten Errungenschaften der kubanischen Revolution, das Schulsystem. Dabei bietet er einen facettenreichen und authentischen Einblick in das Alltagsleben von Havanna und überrascht mit ungewohnt offener Sozialkritik.
Bereits zum 11. Mal präsentiert das Lateinamerika-Komitee Salzburg mit dem „Kino“ und dem Filmcasino Wien als dieses einzige österreichische Festival für den Neuen Lateinamerikanischen Film. Übrigens ist es auch die einzige Festivalkooperation zwischen einem Wiener Kino und einem Kino in den Bundesländern. Das Festival findet im Zwei-Jahres-Rhythmus statt.
Das Endzeitdrama „Parabellum“ von dem Salzburger Regisseur Lukas Valenta Rinner ist ein Höhepunkt des Festivals. Einige weitere Premieren: Was passiert, wenn einem völlig abgeschieden, allein lebenden Menschen ein Fernseher geschenkt wird? Das Leben eines Bauern in Patagonien bekommt zwar mehr Farbe in dem argentinischen Beitrag „Tiempos menos modernos“ – aber bekommt es auch mehr Sinn? Wie fatal können digitale Medien in die Privatsphäre eingreifen? Davon erzählt Florence Jaugey in „La pantalla desnuda“: Die Liebe eines jungen Paares aus Nicaragua nimmt durch ein Handyvideo eine tragische Wendung. In „Una noche – Eine Nacht in Havanna“ ändert sich auch das Leben von drei kubanischen Jugendlichen jähr und schicksalshaft: Regisseurin Lucy Mulloy zeigt in ihrem packenden Spielfilmdebüt die faszinierenden Seiten Havannas, das Magische und Einzigartige der kubanischen Hauptstadt. Aber sie spart auch die Schattenseiten eines überholten politischen Systems nicht aus und erzeugt damit jene Atmosphäre, in der diese Jugendlichen zwischen Bleiben und Abhauen zerrissen sind.
Eine große Reise ins Unbekannte tritt der deutsche Protagonist in „Herencia“ an, um seine Liebe in Buenos Aires wieder zu treffen. Doch die Adresse stimmt nicht mehr, und so landet er in der Kneipe einer italienischen Immigrantin, die ebenfalls auf der Suche nach der großen Liebe in dieser Metropole gestrandet ist. Ein stimmiger und kulinarischer Film über die Liebe. In großen Bildern erzählt „El Amigo alemán“ (Der deutsche Freund) von der Beziehung zwischen der Tochter jüdischer Emigranten und dem Sohn einer Nazifamilie, von ihrem Leben zwischen zwei Kulturen, von der Revolte gegen die Eltern, von der Last der Vergangenheit für die Kinder von Tätern und Opfern, vom politischen Engagement – und wie sich das alles auf die Liebe auswirkt.
Wie Herrschaftsverhältnisse und Arbeitsbedingungen, die an Kuriositäten kaum zu übertreffen sind, auf das Leben einfacher Menschen durchschlagen, schildert lakonisch und mit schwarzem Humor die mexikanische Satire „Workers“. Kurios wird das Leben in einem ecuadorianischen Fischerdorf, als eine Ladung Kokain an Land gespült wird. Mit diesem unverhofften Geldsegen lässt der ecuadorianisch-kolumbianische Beitrag „Perscador“ (Fischer) seinen sympathischen Protagonisten immer tiefer in die Misere schlittern. Ein charmanter Film mit eindrucksvollen Bildern und einem mitreißenden Soundtrack.
Eine musikalische Reise in die Welt der Mariachis, einem elementaren Teil der mexikanischen Kultur, bietet Doris Dörries neuer Film „Que caramba es la vida – Mariachi pioneras“ (Dieses schöne Scheissleben). Sie stellt jedoch nicht die musizierenden, Sombrero und Cowboystiefel tragenden Mariachi in den Mittelpunkt, sondern Mariachi-Frauen, die sich einen wichtigen Platz in dieser Männerdomäne erkämpft haben. „Mercedes Sosa – Die Stimme Leitainamerikas“ ist ein vielschichtiges und intimes Portrait der bedeutenden Musikerin aus Argentinien. Mit Millionen verkauften Platten, tausenden Konzerten weltweit und unzähligen Fans hinterlässt die Sängerin Mercedes Sosa ein unvergessliches Erbe im kulturellen, aber auch im politischen Bereich.
Eine Reise nach Mittelamerika unternimmt die Salzburger Filmemacherin Nina Pfeiffer: In „Nicaragua“ zeigt sie erfrischend und unkonventionell das Leben am Land: den Alltag von Dorfbewohnern an der West- und Ostküste in ihrer schier unglaublich kulturellen Vielfalt. Mit „Eoque Dalton“ hat Tina Leisch dem wichtigsten Dichter und Widerstandskämpfer aus El Salvador ein filmisches Denkmal gesetzt. Ausgehend von seiner Figur erzählt der Film die gesellschaftspolitischen Strömungen, die Guerrilla-Bewegungen in Mittelamerika und der Karibik anhand von persönlichen Schicksalen, die berühren. Beide Filme werden in Anwesenheit der Filmemacherinnen präsentiert. Der Animationsfilm „Anina“ aus Uruguay ist großes Kino für Kinder ab sechs Jahren.
Erstmals in der Geschichte des Lateinamerika-Filmfestivals gibt es heuer ein Kurzfilmprogramm, das mit mit unterschiedlichen Genres einen Einblick in das aktuelle Schaffen junger Filmemacher und Filmemacherinnen in Lateinamerika gibt. Lukas Valenta Rinner, Regisseur von „Parabellum“, hat diese Kurzfilme ausgewählt und wird sie persönlich vorstellen.