Was junge Filmemacher beschäftigt
HINTERGRUND / JUVINALE
02/06/21 In diesen Tagen läuft in Salzburg das Filmfest Juvinale – wetterbedingt nicht öffentlichkeitswirksam mit Projektionen am Platzl, sondern im Filmkulturzentrum Das Kino. Die Filmnachwuchspreise Simon S. wurden am Donnerstag (1.7.) im Rahmen des von FS1 ausgerichteten Festivals verliehen.
„Authentizität und unverblümte Direktheit“ bescheinigte die Jury in ihrer einstimmigen Entscheidung dem Dokumentarfilm Die Arbeit mit dem Tod von Lorenz Wetscher (Regie) und Bianca Weber (Produktion). Dafür erhielten die beiden den mit fünftausend Euro dotierten Hauptpreis.
Für diese Doku begleiteten die Filmemacher im „Raphael Hospiz“ in Salzburg den Pfleger Robert, einen gebürtigen Osttiroler – beim Nachtdienst im Hospiz und auch in seinem privaten Alltag, der sich nach den branchenüblichen Nachtschichten ausrichtet. „Ohne aufgesetzte Dramatik und in der notwendigen Bescheidenheit und Sensibilität“ werde da erzählt, „wie es ist, wenn der Tod zum Alltag des eigenen Lebens wird“, so die Jury.
Den zweiten Preis in Höhe von dreitausend Euro erhielten Lisa-Marie Bröckl (Regie) und Saskia Eder (Produktion) für den Kurz-Spielfilm Close to nothing at all. Es geht um sexuelle Gewalt im familiären Umfeld. Die 25jährige Ailis lebt nicht ihr eigenes Leben, sondern nach den Wünschen ihrer streng religiösen Familie. Als sie von ihrem Freund zum Geschlechtsverkehr genötigt und daraufhin schwanger wird, wendet sich ihre eigene Familie gegen sie. Die Jury meint dazu: „Auch wenn die Regisseurin Lisa-Marie Bröckl das Thema in ein extremes Setting verlagert, so lässt sie dennoch keinen Zweifel, wie die Mechanismen des (Ver)Schweigens, des gesellschaftlichen Drucks und der Manipulation der Konventionen auf junge Frauen wirken, die sexuelle Gewalt erfahren haben. Das Thema ist von äußerster Brisanz gerade in Österreich, dem Land mit den meisten Frauenmorden in Westeuropa.“ Die Jury lobt insbesonders die „feinfühlige Arbeit eines bemerkenswerten Schauspiel-Ensembles, allen voran die Protagonistin Ailis, gespielt von Alicia Gerrad“.
Mit dem dritten Preis (zweitausend Euro) wurde Kerstin Glachs für ihren Kurzfilm Anatomie einer Erinnerung ausgezeichnet. Auch da ist die Familie das Setting. Tochter Mia wird unfreiwillig Zeugin des fortschreitenden Alkoholismus ihrer Mutter. „Ein beachtlicher Kurzfilm, der sehr gut aufzeigt, welche Spuren es bei Kindern hinterlassen kann, wenn sie plötzlich Verantwortung übernehmen müssen, die weit über jene hinausgeht, die ihrem Alter entspräche“, so die Jury.
Die Juvinale findet zum dritten Mal statt, die Filmnachwuchspreise Simon S. wurden zum fünften Mal vergeben. Beides in biennalem Rhythmus. Warum ein Nachwuchsfilmfest in Salzburg? „Der zweitgrößte Medienstandort in Österreich braucht ein Festival wie die Juvinale, um so
auch ein Statement für den jungen Film zu setzen“, sagt Juvinale-Leiter Markus Weisheitinger-Herrmann. „Salzburg bietet heute neben Wien die erfolgreichsten Ausbildungsangebote in unterschiedlichen Bereichen der Filmwirtschaft.
Das lokale Filmschaffen verfügt im Bereich Nachwuchs über einen sehr hohen „Productionvalue“. Salzburger Nachwuchsfilmer behaupten sich seit einigen Jahren außerordentlich gut auf großen internationalen Filmfestivals und transportieren ein positives, kreatives und modernes Bild nach außen. „Österreich bietet dabei im Gegenzug aber kaum Foren, um das hohe Potenzial des heimischen Filmnachwuchses zu präsentieren bzw. dem internationalen Markt vorzustellen.“
Die Juvinale ist offen für alle Debüt- und Abschluss-Filmproduktionen von Studierenden und Nachwuchsfilmemachern. Der Großteil der über hundert Einreichungen stammt aus Österreich, Südtirol und dem süddeutschen Raum. „Mit der Juvinale schärfe man das Verständnis von Filmkultur für eine jüngere Generation“, betont Das Kino-Leiterin Renate Wurm. Vernetzung innerhalb der gar nicht so kleinen Salzburger Szene ist natürlich auch ein Thema. Nur kurz war Salzburg tatsächlich Mittelpunkt des österreichischen Films: Hier begann immerhin die Diagonale, die 1995 nach Graz abwanderte. Das studentische Festival film:riss setzte in der Filmlandschaft Salzburgs ebenso Akzente, wie das vom Fachbereich MultiMediaArt der FH Salzburg organisierte „Creativity Rules“. Daran knüpft die Juvinale an.