Das Kino - mein zweites Wohnzimmer…

INTERVIEW / RENATE WURM / 40 JAHRE DAS KINO

03/07/18 Sie ist seit 1992 „dabei“ und war schon lang vorher „aktive“ Besucherin: „Das Kino war mein zweites Wohnzimmer“, erzählt Renate Wurm. „Ich habe ja Sprachen studiert und dort war schon damals alles zweisprachig. Das Eldorado für mich.“ Im „Vierzigsten Jahr“ ist noch immer alles zweisprachig – „OmU“ – im Filmkulturzentrum „Das Kino“ und Renate Wurm leitet seit 2017 Jahren ihr „Eldorado“.

Von Heidemarie Klabacher

Sie hat Spanisch studiert, saß im Lateinamerika-Komitee, hat nach dem großen Umbau am 22. März 1992 ihren Traumjob angetreten, Presse und Öffentlichkeitsarbeit für „Das Kino“ gemacht und alsbald das Lateinamerika Festival ins Leben gerufen: „Es war ja alles neu. Michael Bilic war offen für alles und hat meine Leidenschaft für den lateinamerikanischen Film geteilt.“ Seit 1995 ist das Lateinamerika Festival, neben dem Bergfilm Festival, das es schon vorher gegeben hat, ein Eckpfeiler im Programm: „Etwas, das von mir gekommen ist.“

Vieles weitere ist seither von Renate Wurm gekommen, wie die Idee, „mit Film-Matineen etwas Großstädtisches zu versuchen“: „Noch vor zehn Jahren war es in Salzburg fast unmöglich, am Sonntag Filmfrühstück anzubieten. Es war ja alles zu…“ Heute laufen die Filmfrühstücke in Kooperation mit dem Café Wernbacher sehr erfolgreich.

Ein weiterer Eckpfeiler bildete sich seit Oktober 2005 heraus: „Da wurde das Oval im Europark eröffnet, wo wir seither das Filmprogramm machen.“ Im Oval „spielen wir die Filme, die wir auch an der Salzach spielen - aber in der deutschen Fassung“, erklärt Renate Wurm. Kino-Fixpunkt im Oval war schon „MI 19.30 Uhr“, nach zehn Jahren kam mit „SA 17 Uhr“ eine zweite Vorstellung dazu: Erfolg habe man auch mit anspruchsvollen Filmen, wie etwa „Das weiße Band“ oder „Amour“ von Michael Haneke. „Es ist eine ganz enge Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen vom Oval. Und die Verleiher, die sonst recht streng sind mit Nach-Vorstellungen in Deutscher Fassung, betrachten das Oval schon fast als unser drittes Kino.“

Kooperationen mit anderen Kulturveranstaltungen habe es quasi seit jeher gegeben. Um das Jahr 2000 herum seien das Nexus Saalfelden und der Radstädter Kulturkreis „Das Zentrum“ an Das Kino herangetreten. „Diesen beiden haben wir inzwischen geraten, sich im Zuge der Digitalisierung selbstständig zu machen, sich einen eigenen Projektor anzuschaffen und auch eigenständig das Programm zu machen.“ Erst jüngst hat der Radstädter Kulturkreis das Zentrum sein eigenes fixes Kino eröffnet.

Als Michael Bilic sich 2017 in die Pension zurückgezogen hat, habe sie sich, so Renate Wurm, für den Leitungsposten angetragen und sie sei vom Vorstand einstimmig berufen worden. „Alles was gut ist, muss bleiben. Keine Umwälzungen. Wo man was ändern kann, soll man es schrittweise ändern“, ist seither Renate Wurms Devise. Eine Veränderung – und ein zentrales Anliegen der Kino-Leiterin – ist, Filme aus der „lokalen Szene“ verstärkt ins Programm aufzunehmen. Musterbeispiel „Die beste aller Welten“. Inzwischen ist Adrian Gogingers Streifen über das Aufwachsen eines Buben in der Salzburger Drogenszene ein Kultfilm. „Aber das war keine so g’mahte Wiesen, wie es jetzt ausschaut“, erinnert sich Renate Wurm. Adrian Goiginger habe monatelang einen Verleih gesucht, sie, so Renate Wurm, habe sich stark für ihn eingesetzt und aus dem Fenster gelehnt. Der Erfolg spricht für sich. Oder Ivette Löcker: Die aus St. Michael im Lungau stammende und seit 2000 in Berlin lebende Regisseurin hat mit dem Film „Was uns bindet“ bei der Diagonale 2017 den Preis für den Besten Dokumentarfilm gewonnen. Oder Lukas Rinner, der 1985 in Salzburg geboren wurde und Filmregie in Barcelona und Buenos Aires studierte. Sein zweiter Spielfilm, „Die Liebhaberin“, errang 2017 den Diagonale Hauptpreis… Mit Filme dieser Liga gestaltet Renate Wurm längst einen Schwerpunkt. Nicht nur aus einem „Förderanliegen“ heraus: „Der Einsatz für ‚Die beste aller Welten‘ hat sich gelohnt. Allein in unserem Kino haben ihn 19.000 Besucher gesehen.“

Adrian Goiginger setze sich für seinen Film aber auch „selber total ein“, betont Renate Wurm. Der Regisseur komme jeden Monat für einPublikumsgespräch zu einer Vorstellung und werde im September „zum Geburtstag“ des Streifens bei vielen Schulvorstellungen dabei sein. Das ist auch wirtschaftlich ein zentraler Punkt: Mehrwert anbieten, nicht „nur“ Filme abspielen. Nur so komme man „heutzutage“ als Kinobetreiber an junge Leute oder Menschen, die sonst nicht ins Kino gehen. „Festival-Feeling“ ist so ein Mehrwert. Es sei eine Tatsache: „Das Publikum zwischen zehn und 18 verlieren wir.“ Man versuche, die jungen Leute etwa mit Schulvorstellungen und Regisseur-Gesprächen wieder hereinzukriegen. „Aber es ist eine uns eine große Herausforderung, die jungen wieder fürs Kino begeistern, für die Idee, Filme nicht nur auf dem I-Phone oder dem Laptop anzuschauen, ihnen zu vermitteln, dass ein Film auf großer Leinwand ein anderes Erlebnis ist.“ Tatsächlich gehen, so Renate Wurm, auch die ganz Junge noch ins Kino – allerdings ins Cineplexx, „und diese Filme, die haben wir dann nicht“.

Ebenfalls ein „Mehrwert“, den Das Kino bietet: „Jetzt wo alle neuen Filme so schnell im internett sind, steigt der Wunsch, alte Filme wieder im Kino anzuschauen!“ Als im Vorjahr Jeanne Moreau verstorben war, habe sie eine Klassikreihe gestartet, „Das Format wird total gut angenommen, nicht nur von älteren Leuten! Da ist auch die Temperatur egal: Wir waren bei 30 Grad ausverkauft.“ Noch ein Mehrwert: „Was Neues mitstarten! Wenn ein neuer ‚Hader‘ in allen Kinos startet und der Regisseur, mit dem uns eine lange Geschichte verbindet, bei der Premiere bei uns ist, erfahre ich nachher, „dass der Film bei uns am besten gegangen ist“.

Dennoch werde die Filmwelt immer kurzlebiger bei einem Überangebot an Filmen. Als Kinoverantwortlicher, der nur 15 Prozent Unterstützung von der öffentlichen Hand bekommt, müsse man „gut wirtschaften und gut aussuchen, was man bringt“. Da müsse gelegentlich auch etwas gespielt werden, was einem selber nicht so gefällt, „damit wir auf unsere Besucher kommen“. Es sei eine ständige Gratwanderung. „Wir müssen Neues ausprobieren, um neues Publikum anzusprechen. Wir müssen wirtschaften und müssen daher mehr sein, als ein Filmmuseum.“ Tatsächlich werde es für die Kinos immer schwieriger, betont Renate Wurm. Die Digitalisierung habe Nachteile wie Vorteile gebracht. „Aber so lange es Filmfreunde gibt und solange auch die Regisseure ihre Filme im Kino sehen wollen, und nicht nur im Streamingdienst, haben wir gute Gründe, positiv in die Zukunft zu blicken.“

Bilder: Das Kino
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