Feinsinnig, ob Tragöde oder Komiker

TODESFALL / HELMUTH LOHNER

23/06/15 „Salzburger Geschichten“. So hieß einer der ersten Filme, in denen Helmuth Lohner mitwirkte. Die Geschichte von Erich Kästner spielt zur Zeit der 1000-Mark-Sperre, und in dem Streifen kommt auch eine Szene aus einem Festspiel-„Jedermann“ (mit Will Quadflieg) vor. 1990, 34 Jahre nach diesem Filmdebüt, war Lohner in Salzburg selbst der „Jedermann“…

Von Reinhard Kriechbaum

Wie Lohner damals diese Rolle anlegte, hat manche befremdet. Da war der reiche Prasser eine Art Dandy, herablassend und des Lebens überdrüssig. Ein guter Schuss (Selbst-)Ironie, wie sie manche Nestroy-Figur in Helmuth Lohners Interpretation oft auszeichnete, schwang da mit. Im „Jedermann“ hat Lohner übrigens nicht nur die Hauptrolle, sondern in den Jahren zuvor auch den Teufel und dann den Tod gespielt.

Helmuth Lohner war schon geraume Zeit von schwerer Krankheit gezeichnet, in der Nacht auf Dienstag (23.6.) ist er ihr erlegen. Lohner wurde 82 Jahre alt.

Aufs Engste verknüpft ist der Name Lohner mit der Wiener Josefstadt. Hier hat der gelernte Chemigraph (ein Beruf, der mit dem klassischen Buchdruckergewerbe ausgestorben ist) als junger Schauspieler sein erstes Engagement angetreten: Das war zwischen 1953 und 1963. Neben der Lehre in einer Klischeeanstalt hatte der Sohn eines Schlossers privaten Schauspielunterricht genommen. Fast drei Jahrzehnte später ist er wieder Ensemblemitglied im Theater in der Josefstadt geworden, und von 1997 bis 2006 war er mit einjähriger Unterbrechung künstlerischer Direktor dort.

Herbert Föttinger über seinen Vorgänger: „Helmuth Lohner war ein hinreißender Darsteller feinnerviger Charaktere, ein Sprachkünstler, dessen schauspielerische Präzision, Phantasie und Hingebungskraft bewundert wurde. Abseits der Bühne war er ein bescheidener Mensch von feiner Gesinnung, der auch als Direktor der Josefstadt für Toleranz, Mitmenschlichkeit und Güte stand.“ Im kommenden Dezember hätte er Schnitzlers „Anatol“ (in einer Fassung von Peter Turrini) in der Josefstadt spielen sollen. Lohners Erfolgsinszenierung von „Schon wieder Sonntag“ mit Otto Schenk (mit den Lohner eine lebenslange Freundschaft verband) ist ab Herbst wieder an den Kammerspielen der Josefstadt zu sehen.

Stichwort Otto Schenk: Mit ihm gemeinsam ist er 1996/97 gemeinsam in Raimunds „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ in einer Inszenierung von Peter Stein auf der Festspielbühne gestanden. Wie sich die beiden Antipoden damals die Maske des jeweils anderen überstülpten, wie also Lohner (Alpenkönig) als Schenk und Schenk (Rappelkopf) als Lohner einander gegenüberstanden, hat das Publikum zu Begeisterungsstürmen hingerissen.

Die Verbindung Lohners mit den Salzburger Festspielen begann 1972 mit Shakespeares „Was ihr wollt“. 1976 dann seine erste Nestroy-Hauptrolle hier, der Titus Feuerfuchs im „Talisman“ (Regie: Otto Schenk). Er war dann auch der Herr von Lips in „Der Zerrissene“. Über ihn als Nestroy-Darsteller hieß es in einer Kritik einer Salzburger Aufführung: „Lohner ist Fleisch von seinem Fleisch. Es gibt keinen besseren Nestroy-Darsteller.“ In Erinnerung sind auch seine Rolle in Schnitzlers „Der einsame Weg“, oder – noch viel länger her – in Shakespeares „Was ihr wollt“.

Zum Festspiel-Jahrlauf zählten die Lesungen Lohners. Den Jedermann spielte er von 1990 bis 1994. 237 Auftritte hatte Lohner in Salzburg. Die Festspiele hatben ihn, um seine Liebe zur Oper wissend, 1984 in der als azione musicale getarnten Opernuraufführung „Un re in ascolto“ in der Rolle des Freitag besetzt.

„Wenn man ihn auf ein Genre einengen will, wird man ihm nicht gerecht.“ So zitiert die APA Otto Schenk, Lohners künstlerischer Partner in mehr als zwanzig Produktionen allein an der Josefstadt. Helmuth Lohner war Shakespeares abgründig-böser Richard, der zwiespältige Dänenprinz Hamlet, der Faust ebenso wie der Mephisto. So gut wie alle Hauptfiguren von Schnitzler, Tschechow und Horvath hat er gestaltet, und natürlich das Nestroy-Repertoire rauf und runter.

In den Jahrzehnten, da Lohner nicht unmittelbar an die Josefstadt gebunden war, hatte er Engagements in Berlin, München, Hamburg, Düsseldorf und Zürich. Natürlich ist er auch im Burgtheater auf der Bühne gestanden. An der Wiener Volksoper inszenierte Lohner „Die Zauberflöte“ und Donizettis „Liebestrank“, 1994 begann er mit Operettenregie: sehr exponiert mit Offenbachs „Schöner Helena“ in Zürich, mit Nikolaus Harnoncourt am Pult. In über dreißig Filmen hat er mitgewirkt. Seine wichtigste Fernsehrolle war wohl die des Carl Joseph Trotta in der Verfilmung von Joseph Roths „Radetzkymarsch“ in der Regie von Michael Kehlmann im Jahr 1965. Gerade Roth-Figuren hat Lohner oft und gerne ausgelotet (etwa „Hiob“). Oft war er im Fernsehen zu sehen, in den neunziger Jahren bei „Mein Opa ist der Beste“ und „Mein Opa und die 13 Stühle“ (beides mit Schenk) hat er auch Regie geführt.

Seit 1992 trug Lohner den Titel Kammerschauspieler, er war – natürlich, möchte man sagen – Träger des Nestroy-Ringes und der Kainz-Medaille. Aus der Josefstädter Aufführung von Ibsens „John Gabriel Borkmann“ stammen die Fotos auf dieser Seite. In den Kammerspielen der Josefstadt war Helmuth Lohner zuletzt in „Halpern & Johnson“ zu sehen und in Heiner Müllers „Quartett“.

Bilder: Theater in der Josefstadt/Erich Reismann