Leidenschaft und Feingefühl

IM PORTRÄT / BRITA STEINWENDTNER

09/11/11 „Nach 22 Jahren könnte es genug sein.“ Brita Steinwendtner leitet seit 1990 die „Rauriser Literaturtage“. Mit den 42. Rauriser Literaturtagen - von 21. bis 25. März 2012 zum Thema „Die Erfindung der Wahrheit“ - wird die Autorin, Journalistin und Literaturvermittlerin die Leitung des traditionsreichen Literaturfestivals zurücklegen.

Von Heidemarie Klabacher

altSie habe ihren Rücktritt schon im Vorfeld der 40. Rauriser Literaturtage 2010 erwogen, erzählt Brita Steinwendtner. „Aber es gab noch so viel zu organisieren, um das kleine Werk der Rauriser Literaturtage in optimalem Zustand in neue Hände übergeben zu können.“ Wessen Hände das sein werden, wird im Februar bekannt gegeben: „Das ist auch eine Sache des Kulturvereins Rauris und des Bürgermeisters.“

Warum der Rückzug jetzt, wo sich das geografisch abgelegene Festival Jahr für Jahr ins Zentrum der Aufmerksamkeit spielt und Literaturbegeisterte aus dem In- und Ausland anzieht?

Als sie 1990 die Leitung der Rauriser Literaturtage übernommen hatte, sei es noch ein „kleines Festival“ und viel unaufwändiger zu organisieren gewesen. Nicht nur die Konkurrenz sei seither größer geworden - „Fast jedes Monat wird irgendwo etwas Neues gegründet“ - auch der Anspruch steigt: „Die Rauriser und Pinzgauer Bevölkerung, ein salzburgisches, österreichisches und internationales Publikum, heimische Medien und ausländische Medien: um die alle neugierig zu halten und um diese Qualität aufrecht zu erhalten, dazu braucht es heute die Arbeit das ganze Jahr über.“

Sie habe wohl noch Ideen und Konzepte, erzählt Brita Steinwendtner, Jahrgang 1942, dennoch habe sie sich gedacht: „Nach 22 Jahren könnte es genug sein.“ Sie halte es für gut, „sich zurückzuziehen, wenn man erfolgreich ist“ und hofft, „vielleicht mehr Zeit für die Familie und fürs Schreiben“ zu haben. Von der Autorin Steinwendtner sind zuletzt etwa erschienen „Jeder Ort hat seinen Traum. Dichterlandschaften“ oder „Du Engel - du Teufel. Emmy Haesele und Alfred Kubin“.

Bis heute finden die Rauriser Literaturtage (bei steigenden Hörerzahlen und Live-Übertragungen von Lesungen auf Video-Screens) bei freiem Eintritt statt. Das sei „dem Rückhalt unter allen Subventionsgebern und Sponsoren“ zu danken, die eingesehen hätten, so Steinwendtner, dass die Rauriser Literaturtage noch immer auch von „sozialpolitischem Belang“ sind: „Da lassen wir nicht locker. Vom Kindergarten, über die Volksschule und die Hauptschule begeistern wir die Kinder für Literatur. Wir schicken ihnen die Autorinnen und Autoren nicht nur für Lesungen in die Schulen“, betont die scheidende Leiterin. Es gebe jedes Jahr auch eigene Jugendprojekte, denen immer der Sonntag-Vormittag der Literaturtage gewidmet ist.

altAuch zur Rauriser Bevölkerung bestehe bester Kontakt, besonders über die „Störlesungen“, bei denen Autoren in Privathäusern im kleinen Familienkreis lesen: „Über die Kinder erreichen wir die Familien. Bei den Störlesungen sehen die Eltern und die Onkeln und Tanten, dass Autoren nichts Abgehobenes sind, sondern einfach Lebensgeschichten erzählen.“ Jedes Jahr gebe es mehr interessierte Familien, die einen Autor oder eine Autorin zur Störlesung zu sich nach Haus einladen. Weiters gibt es Einführungen für die Rauriser: „Es ist schon immer noch auch Aufklärungsarbeit.“

Es sei vielleicht eine Spezialität „ihrer“ Rauriser Literaturtage, sagt Brita Steinwendtner, dass sie sich immer wieder frage: „Wie macht man Programm nicht nur für Experten, nicht nur für Literaturstudenten oder nicht nur für eine urbane Bevölkerung, die jeden Tag im Jahr zu einer anderen Lesung gehen kann.“ Die Rauriser stürmten die Veranstaltungen der Literaturtage ebenso, wie die Bewohner der Nachbarorte, des Pinzgaus, des Pongaus, der Stadt Salzburg - und weit darüber hinaus. Heute seien die Universitäten Salzburg, Klagenfurt, Innsbruck und Wien Partner der Rauriser Literaturtage, die Studentengruppen schicken: „Im Vorjahr hatten wir eine Gruppe aus Tschechien.“

In Rauris lesen berühmte Autoren, aber auch solche, die nicht überall auftreten. Allen gemeinsam ist in diesen Tagen Ende März/Anfang April, „dass sie nicht nur an einen abgelegenen Ort gekarrt werden und nach ihrer Lesung wieder abfahren“: „Die Autorinnen und Autoren bleiben alle die ganze Woche in Rauris. Das ergibt eine Dynamik, die das ganze Dorf erfasst.“ Und das braucht, wie Brita Steinwendtner selber sagt, „viel Feingefühl.“ Dieses Feingefühl, „alle zu umfangen“ - Autoren, Dorfbevölkerung und Publikum von außen und weit her zusammen und ins Gespräch zu bringen - „ist vielleicht etwas Besonderes an Rauris“. Und an Brita Steinwendtner.

Als Vorsitzende des eben in Gründung befindlichen „Vereins der Freunde der Rauriser Literaturtage“ wird sie Rauris verbunden bleiben „und vielleicht sogar mehr Zeit haben, hinein zu fahren, als bisher“.

Bilder: dpk-klaba