Auf der Suche nach den kleinen Klängen

IM PORTRÄT / AGUSTIN CASTILLA-ÁVILA

03/06/11 „Still-Leben mit Stille“: Für dieses Stück hat der Spanier Agustin Castilla-Ávila im Vorjahr ein Streichquartett ohne Saiten aufs Podium geschickt. Lauter Pausen – aber streng nach den Regeln der Polyphonie – Stille. Bis auf die Geräusche des Publikums.

Von Iris Melcher

alt„Keine Provokation, es ist alles Illusion“, sagt der Künstler, der nach Studien in Sevilla und am London College of Music ein Postgraduate-Studium für Gitarre an der Universität Mozarteum absolvierte. Es sei sein Lieblingsstück, sagt der Wahl-Salzburger, denn er könne sich nicht vorstellen, mit noch weniger Material zu kommunizieren.

„Als Komponist bin ich in Salzburg geboren“, erzählt der 36-Jährige, der an Salzburg das vielseitige künstlerische Angebot auf kleinem Raum besonders schätzt. Der Mozarteums-Absolvent scheut sich auch nicht davor, bei einem Straßenfest wie kürzlich in der St. Julien Straße in Salzburg für eine Handvoll Zufallsgäste zu spielen. Zwar sagt Castilla-Ávila von sich selbst, er sei in erster Linie Künstler, dann Musiker („man muss einen Grund haben, etwas zu schreiben“). Doch wer ihn gemeinsam mit Tenor Bernd Lambauer erlebt, und hört, wie er hingebungsvoll italienische Kanzonetten mit klarem Fundament versieht, kann dies kaum glauben.

Humor hat er, das steht fest. Denn Castilla-Ávila geht der Musik zwar höchst philosophisch auf den Grund, jedoch mit einem hohen Maß an Ironie. So komponiert er durchaus ein „Scherzo molto serio“, also einen ernsten Witz, musikalisch gesprochen. „Es gibt Sprachreformen,  warum also sollte man das Vokabular der Musik nicht auch einmal einer Überprüfung unterziehen?“, fragt er schelmisch.

altAm liebsten setzt sich der Spanier in aller Frühe an den Schreibtisch, mit Gitarre und Computer in Griffweite. Dabei erweist sich nicht immer die Musik selbst als Zeitfresser. Für seine Kammeroper „Don Quijotes Dulcinea oder die Wirklichkeit der Fantasie“ schrieb der Mann aus Jerez fünf Jahre lang am Libretto, die Musik floss in neun Monaten aufs Blatt.  Die Oper wurde in Regensburg uraufgeführt und steht im November bei einem Festival in Sankt Petersburg auf dem Programm. 2010 wurde Castilla-Ávilas Musik in zwölf Ländern gespielt, und das macht ihn ein bisschen stolz. Der „Magister der Komposition“ bewegt sich mit seiner Arbeit in einem kontrovers diskutierten Feld. „Heute gibt es ein großes Repertoire an zeitgenössischer Musik. Brauchen wir noch mehr? Ich glaube ja“, sagt er optimistisch.

Kleine Klänge und Zwischentöne sucht er – und findet sie in der Mikrotonalität. Castilla-Ávila gab sich nicht mit dem vorhandenen System für mikrotonale Gitarren zufrieden, er entwickelte selbst eines, um diese Musik auf einer „normalen“ Gitarre spielbar zu machen. Darüber spricht er im Juni bei einem Kongress über Mikrotöne in Stuttgart, bevor es zu Konzerten nach Spanien, Frankreich und Chile geht.

Das gegengewicht zum künstlerischen Experiment? Ausgerechnet in Salzburg hat er den Flamenco wieder für sich entdeckt: „Ich bin mein halbes Leben unterwegs, vielleicht erinnert mich etwas daran, wo ich herkomme“, sagt Castilla-Ávila.

Er sei ein „Theatermann“ und würde gerne Musik für die Bühne komponieren. Sein „Klavierstück für einen Gitarrenspieler“ weist in diese Richtung – denn wenn ein Musiker „Gitarre auf dem Klavier“ spielt, habe das viel mit der Magie des Theaters zu tun.

Am Sonntag, 5. Juni, um 17 Uhr gibt Agustín Castilla-Ávila zusammen mit Tenor Bernd Lambauer ein Konzert im Barockmuseum Salzburg, mit Kanzonetten und neapolitanischen Volksliedern - www.barockmuseum.at
Bilder: dpk-Iris Melcher