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Der Doyen der Volksmusikforschung

TODESFALL / WALTER DEUTSCH

15/01/25 „Seine fundierte, dabei lebendige, emotionale und oft auch durchaus streitbare Art über Volksmusik zu sprechen war einzigartig“, erinnert sich der Archivleiter des Salzburger Volksliedwerks, Wolfgang Dreier-Andres. Diese Einrichtung hat dem dieser Tage im Alter von 101 Jahren verstorbenen Walter Deutsch sehr viel zu verdanken.

Wahrscheinlich kann ja jedes österreichische Bundesland Walter Deutsch auch für sich reklamieren: Schließlich gehörte der Musikethnologe zu den profiliertesten Erforschern der Volksmusik im ganzen Land. Er initiierte und leitete zahlreiche Feldforschungen und dokumentierte Volksmusik in verschiedenen österreichischen Regionen und in Südtirol, woher er stammte. Viele kostbare Bild- und Tondokumente entstanden. Seine Forschungsergebnisse publizierte er sowohl in Notenheften für die Praxis, in Audioproduktionen als auch in wissenschaftlichen Fachbüchern. Einen Höhepunkt seiner Publikationstätigkeit bildet die Herausgabe der Reihe Corpus Musicae Popularis Austriacae (COMPA), einer umfassenden Dokumentation österreichischer Volksmusik, die derzeit 23 Bände umfasst. In den Jahren 2000 und 2008 regte er zwei Salzburger Bände für diese Reihe COMPA an und leistete dafür maßgebliche editorische Arbeit.

Für Salzburg war Walter Deutsch aber in vielerlei Hinsicht für Bedeutung. „Nachdem der noch in der Monarchie gegründete Arbeitsausschuss für das Volkslied im Jahr 1973 als Salzburger Volksliedwerk neu gegründet wurde war er es, der schon kurze Zeit später mit Studierenden seines noch jungen Instituts für Volksmusikforschung in den Lungau kam und dort umfangreiche musikalische Feldforschungen durchführte“, erklärt Wolfgang Dreier-Andres. Kurze Zeit später folgte der Flachgau. „Mit diesen ersten umfangreicheren Volksmusikforschungen im Salzburger Raum seit Mitte der 1920er-Jahre hat uns Walter Deutsch wesentliche Grundpfeiler des heutigen Salzburger Volksliedarchivs geschaffen.“

Dass das Archiv des Salzburger Volksliedwerkes heute überhaupt Dokumente aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg enthält, sei ebenfalls Walter Deutsch zu verdanken, erklärt Dreier-Andres. Deutsch hat die Bestände der noch aus der Monarchie stammenden Volksliedsammlung aus dem Nachlass des früheren Salzburger Archivars Otto Eberhard (1875–1960) im Sommer 1961 vom (nominell verantwortlichen) Landesschulrat übernommen, gereinigt und grob geordnet. Zwei Jahre später schließlich stand er dem Komponisten und Volksliedwerk-Archivar Wilhelm Keller (1920–2008) bei der Neuordnung der Bestände mit Rat und Tat zur Seite.

Bis ins höchste Alter war Walter Deutsch als Vortragender aktiv. „Noch 2016 war er Referent unseres Salzburger Volksmusiksymposions Schichten – Strömungen – Spannungsfelder auf Burg Hohenwerfen und beeindruckte das Auditorium mit seinen detaillierten Ausführungen zu Melodie- und Instrumentalformen“ erinnert sich Dreier-Andres. 2021 schließlich hat er dem Archiv des Salzburger Volksliedwerkes eine Sammlung privater Feldforschungen aus dem Großarltal übergeben, die er Anfang der 1960er Jahre durchgeführt, aber nie publiziert hatte.

Dass Walter Deutsch Volksmusikforscher werden würde, war eigentlich nicht ausgemachte Sache. In Südtirol hatte er das Friseurhandwerk erlernt. Nach Rückkehr aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft studierte er in Innsbruck, dann in Wien Musik, Komposition bei Alfred Uhl und Dirigieren bei Hans Swarowsky. Seine Karriere begann er als freischaffender Komponist und Ballettkorrepetitor an der Wiener Volksoper. Als Komponist schuf er Bühnen- und Ballettmusik, Tänze, Märsche, Klavier- und Kammermusik, Kantaten, Lieder, Wienerlieder und Volksliedhaftes

1965 gründete er das Institut für Volksmusikforschung (aktuell: Institut für Volksmusikforschung und Ethnomusikologie) an der heutigen Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, das er bis 1993 leitete. Von 1992 bis 1999 war er Präsident des Österreichischen Volksliedwerkes, danach Ehrenpräsident. (Salzburger Volksliedwerk / dpk-krie)

Bild: Salzburger Volksliedwerk

 

 

 

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