Kulturpolitik ist Finanzpolitik

INTERVIEW / INGRID TRÖGER-GORDON

25/02/22 „Wir definieren uns als Kulturstadt. Unser Potential liegt in Kultur und Bildung. Dieses Image der Stadt gehört weiter entwickelt und gepflegt. Darauf müsste man stolz sein. Aber in Salzburg wird das oft als Selbstläufer gesehen, weil man glaubt, es geht ohnehin. Und immer wenn es finanziell eng wird, wird bei den Förderungen im kleinen Bereich gespart.“

Von Heidemarie Klabacher

„Es ist noch ungewohnt.“ Im Jahr 1993 hat Ingrid Tröger-Gordon die Leitung der Kulturabteilung der Stadt Salzburg übernommen. „Nächstes Jahr wären es dreißig Jahre.“ In Pension geht sie mit 1. April. Bis dahin wird Resturlaub aufgebraucht. „Es passt. Ich habe meine Tage im Amt verbracht und freue mich auf die selbstbestimmte Zeit.“ Mit drei Bürgermeistern – Dechant, Schaden, Preuner – hat Ingrid Tröger-Gordon in ihrer Amtszeit zusammen gearbeitet.

Unter Josef Dechant sei es eine schwierige Zeit, sie selber „noch ganz jung“ gewesen. „Es herrschte großer Spardruck.“ Mit Heinz Schaden begann 1999 „für unseren Bereich ein großer Aufschwung“. Für sie die prägenden Jahre. „Eine Zeit, in der man auch mit der Kultur in der Politik etwas wollte.“ Es seien „Wellen“. Phasen, in denen man der Kultur mehr oder weniger Möglichkeiten der Entwicklung einräume. „Die 18 Jahre Heinz Schaden, der im Gemeinderat die Kultur gut positioniert hat, haben viel geholfen. Es hat ihn interessiert. Er hat durch seine Auslandsreisen erkannt, was die Kultur für die Stadt und ihr Image weltweit bedeutet.“

Wie ähnlich beim Land, wird auch bei der Stadt Salzburg die Förderpolitik quasi von der Beamtenschaft abgewickelt. Entscheidungen der Kulturabteilung würden vom Kulturausschuss zu 95 Prozent mitgetragen. „Es ist ja ein Prozess, in dem vieles schon in den Budgetverhandlungen im Vorfeld abgestimmt wird“, erklärt Ingrid Tröger-Gordon im Gespräch mit DrehPunktKultur. „Es gibt beim Budget ja viele Runden. Dazu kommt vieles, was auch zwischen Stadt und Land abgestimmt werden muss. Projekte, die in unsere Gremien kommen, sind meist abgestimmt.“

Sie habe sich immer als Vermittlerin verstanden, sagt die scheidende höchste Kulturbeamtin der Stadt über ihre Funktion: „Als Vermittlerin in beide Richtungen. Hin zur Politik mit dem, was sich in der Kultur entwickelt. Aber auch hin zur Kultur, mit dem, was kulturpolitisch möglich ist.“

Kulturpolitik ist Finanzpolitik, betont Ingrid Tröger-Gordon. „Der Ressortchef bemüht sich mit Engagement und Argumenten. Einzelne kämpfen immer auf seiner Seite. Aber die Mehrheit im Gemeinderat entscheidet.“ Unter einem Bürgermeister Schaden seien Ausgaben in der Kultur fast immer unhinterfragt geblieben. „Da hat man auch mal etwas zugelassen“. Würden dagegen alle die kleineren Förderungen etwa für freie Künstler einzeln hinterfragt, dann werde es schwierig. Und das sei schade: „Kleine Förderungen bringen große Effekte, wenn man sie zulässt. Dann leben und arbeiten junge Künstler in der Stadt, bereichern die Szene, ziehen weitere Kulturschaffende an.“ Darauf habe sie immer versucht hinzuweisen. „Aber weil wir hier in Salzburg so viele Flaggschiffe haben, ist diese Entwicklungsperspektive oft in den Hintergrund getreten.“

Trotzdem tut sich auch vieles. Ingrid Tröger-Gordon verweist auf die „kleine feine HipHop-Szene“ oder die Tanzszene. Die Neue Musik in Salzburg sei „nicht so schlecht aufgestellt“, auch wenn sie bis heute bedaure, dass die Salzburg Biennale eingestellt wurde, „weil man sich sich das nicht leisten wollte“. Erinnert an das Festival des österreichischen Films Diagonale, inzwischen seit 25 Jahren in Graz verankert und international anerkannt, sagt Tröger-Gordon nur: „Das wären damals 500.000 Schilling gewesen – und wir haben es ziehen lassen.“

Tatsächlich dominiere der Spargedanke sehr vieles, „bringt uns immer wieder in die Situation, alles zu rechtfertigen, argumentieren zu müssen“. Einfacher sei es unter Bürgermeister Harald Preuner nicht geworden, „was aber nicht heißt, dass nicht vorher auch diskutiert wurde – in allen Abteilungen“. Bei den letzten Budgetverhandlungen sei es ein schwieriger Weg gewesen, „bis alles so abgebildet war, wie wir es brauchen“, formuliert die Kultubeamtin diplomatisch. „Wir sind wieder dort hin gekommen, wo wir waren. Aber Spielräume gibt es nicht.“

Wie es nach der Ära Tröger-Gordon (bei dreißig minus eins Dienstjahren darf von einer Ära gesprochen werden) weitergeht? Die Stelle sei ausgeschrieben, in die Bestellung sei sie nicht involviert. „Es kommt vor allem drauf an, dass ein engagiert Mensch dort sitzt.“ Die Partei-Farbe sei dabei gar nicht das Entscheidendste. Interimistische Kulturabteilungs-Leiterin ist nun ihre ehemalige Stellvertreterin Jutta Kodat. „Ich wünsche mir nur, dass es gut weitergeht.“ Das wünsche sie besonders der Kulturstrategie Salzburg 2024 – Kultur.Leben.Räume. Daran hätten so viele engagierte Leute mit gearbeitet, es seien „tolle Möglichkeiten drin, wenn man sie nur aufgreift“. Ihr sei es immer wichtig gewesen, betont Ingrid Tröger-Gordon, die im Kernteam an der Kulturstrategie beteiligt war, solche Prozesse in Gang zu setzen. „Auch um den eigenen Standpunkt, die eigene Perspektive zu hinterfragen. Das gelingt in solchen Prozessen ganz gut.“

Vieles ist gelungen. Stadtbibliothek. Stadtarchiv und Haus für Stadtgeschichte. Stadtgalerie Lehen. Meilensteine für Ingrid Tröger-Gordon. „Innerhalb meiner Abteilung haben wir eine neue Galerie in Lehen dazu gekriegt. Ein schwieriger Standort, ein schöner Raum. Die Künstler lieben ihn.“ Stolz sei sie auf die Stadtbibliothek. „Das war eine schwere Hebeübung.“ Gut, dass auch sie in Lehen angesiedelt ist. Auch wenn es mit den NS-Straßennamen „nicht so geklappt hat, wie erhofft“: Was Stadtarchiv und Haus für Haus für Stadtgeschichte leisten – etwa im Projekt Salzburg im Nationalsozialismus – werde überhaupt „erst in zehn Jahren oder so“ in seiner ganzen Bedeutung und Tragweite so richtig erfasst werden.

Rosen streut sie ihrem Team in der Kulturabteilung, „guten engagierten Leuten, denen die Kultur ein Anliegen ist“.

Aufgaben für die Kulturpolitik der Zukunft? Bliebe sie weiter im Amt, wäre Fair Pay eine zentrale Agenda. „Das muss man echt ernst nehmen.“ Ein weiterer Knackpunkt sei die Frage von Arbeitsräumen für Künstler und Kulturschaffende: „Wir haben genug Veranstaltungsräume in der Stadt. Was fehlt, sind Orte, wo Künstler leben und arbeiten können.“ Das Probenhaus für die freie Szene sei ihr großer Wunsch für die Zukunft. Die öffentliche Hand verstehe sie als „Ermöglicher“. Was sich aus geförderten Projekten jeweils entwickelt, hänge „sehr stark von den Kreativen selber ab“. Sie habe sich nie in Inhalte einmischen wollen, betont Ingrid Tröger-Gordon. „Wir schaffen Rahmenbedingungen, unter denen sich kreative Dinge entwickeln können.“ Bei Budgetverhandlungen müsse man das vertreten. Aber es sei schade, „dass so vieles nur mehr über Zahlen gerechtfertigt wird“ und im Hintergrund immer die Frage stehe Was kostet es, was bringt es?

„Gerade wir in Salzburg leben gut von der Kultur. Ich wünsche mir ein höheres Bewusstsein für das, was wir da haben.“ Grundsätzlich sei sie optimistisch. „Wir dürfen nicht zu viel jammern. Wir haben wirklich eine gute Kulturszene. Wir haben für die Größe unserer Stadt ein unglaubliches Potential. Das sollen wir herzeigen. Das sollen wir leben und gedeihen lassen. Und nicht bei jeder Gelegenheit, wenn es einmal eng wird, die Kulturförderung in Frage stellen.“

Bild: dpk-krie