Geschulter Blick für die Armen und Opfer

IM PORTRÄT / KLAUS MERTES

05/08/21 Der Jesuit Klaus Mertes ist am Mittwoch (4.8.) zum Auftakt der Salzburger Hochschulwochen mit dem Theologischen Preis ausgezeichnet worden. Mertes ist eine der führenden Stimmen bei der Aufarbeitung des kirchlichen Missbrauchsskandals in Deutschland.

Der mit 5.000 Euro dotierte Theologische Preis der Hochschulwochen wird seit 2006 jedes Jahr für ein Lebenswerk vergeben. Der Jesuit Klaus Mertes ist dadurch bekannt geworden, dass er 2010 als damaliger Schulleiter des Berliner Canisius-Kollegs einen Missbrauchsskandal öffentlich gemacht hatte. Dies löste in Folge eine große Debatte über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche aus und führte zur Aufdeckung weiterer Fälle auch in nicht-kirchlichen Einrichtungen.

Der Obmann der Hochschulwochen, Martin Dürnberger, zitierte bei der Überreichung aus der Jury-Begründung: Diese würdige mit dem Preis nicht nur Mertes' Durchbrechen von Schweigespiralen beim Thema Missbrauch, sondern auch „seine beharrliche Reflexion auf die systemischen Ursachen und deren Bearbeitung“ sowie „den klaren Ton, den er dabei anschlägt“. All dies trage „das ignatianische Profil einer Unterscheidung der Geister, die in einem hochsensiblen Feld eingespielt wird und die diskursive Standards in der Theologie und darüber hinaus setzt“. In der Laudatio wurde der „an der Befreiungstheologie geschulter Blick für die Armen und Opfer“ des Geehrten hervorgehoben.

In seinen Dankesworten unterstrich Klaus Mertes die Notwendigkeit, eine sowohl von der Täter- als auch von der Opferseite unabhängige Instanz zu schaffen. Nur so könne es irgendwann gelingen, „das Eckige der Konfrontation mit dem Runden der Kooperation irgendwie in Verbindung zu bringen“ und zwischen beiden Seite eine tragfähige Kommunikationsbasis zu schaffen. Für die Kirche bleibe die Aufgabe gestellt, „auf sich selbst zu blicken, aber nicht narzisstisch verklärend, sondern eben auf die hässliche Seite der Kirche“.

Auf diesem Weg gebe es kirchlicherseits jedoch weiterhin zahlreiche Stolpersteine, wies Mertes hin. Etwa auf das Fehlen einer kirchlichen Sprache, die Brücken zu den Opfern baut, statt Traumata auszulösen. Oder die fortbestehende Versuchung eines klerikalen Machtmissbrauchs, durch den jegliche Bemühungen „kontaminiert und vergiftet“ würden.

„Kinder und Jugendliche wurden von Inhabern der Aura geistlicher Macht in Fallen geführt, ihr Gottesvertrauen wurde missbraucht, in dem die Täter es auf ihre Person lenkten und dann nutzten. Dieses perverse Spiel hört in der Phase der Aufarbeitung nun nicht einfach auf.“ Klaus Mertes wurde 1954 in Bonn geboren. Er studierte Slawistik und Klassische Philologie. Mit 23 Jahren trat er in Münster in den Jesuitenorden ein und schloss Studien der Theologie und Philosophie an. Von 2000 bis 2011 war er Rektor des Berliner Canisius-Kollegs. Von 2011 bis 2020 war Mertes Direktor des Kolleg St. Blasien im Schwarzwald. (Kathpress)

Die Salzburger Hochschulwochen dauern bis Sonntag (8.8.) - www.salzburger-hochschulwochen.at
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