Am 1. Mai steht die neue Oper

SALZBURGER KAMMEROPER / GORDON SAFARI

20/04/20 Vor drei Tagen ging es los. Jetzt wird fünf Tage lang komponiert. In zehn Tagen ist Premiere. Die „schnellste“ Oper der Operngeschichte? Möglicherweise. Auch wenn es „nur“ eine Kammeroper wird, wie Gordon Safari betont. Premiere der Online-Oper Tag 47 ist am 1. Mai, dem Tag 47 der Corona-Beschränkungen.

Von Heidemarie Klabacher

Gordon Safari – der mit Barock und BachWerkVokal in der Christuskirche? Genau der. Gordon Safari schreibt seine erste Oper und hat auch schon das dazugehörige Opernunternehmen gegründet. Er habe Komposition studiert, sei aber in den vergangen viereinhalb Jahren in Salzburg nie als Komponist an die Öffentlichkeit gegangen, erzählt er. Neben allem „Organisieren, Musizieren und Dirigieren“ sei keine Zeit gewesen, auch noch dem Komponieren nachzukommen. Nun habe die Krise bei ihm „zu einer künstlerischen Implosion geführt, weil ja Explosionen nicht möglich sind“.

Der Gedanke, eine neue künstlerische Ausdrucksform zu suchen, habe sich schon abgezeichnet, als man die Opernproduktion Die Schuldigkeit des ersten Gebots corona-bedingt absagen musste: „Unterbewusst lag es schon in der Luft.“ Er habe sich also gefragt: „Warum nicht die Herausforderung, mit der Krise künstlerisch umzugehen, wirklich voll annehmen? Sich der Situation als Künstler kreativ stellen und etwas ganz Neues schaffen.“ Das war die Geburtsstunde der Kammeroper Salzburg.

Die Initiative falle in eine Zeit, „die selber stark theatrale Züge“ habe, so Gordon Safari: „Allein die Tatsache, dass wir jetzt alle Masken tragen müssen!“ Die Maske sei seit den Griechen auf dem Theater in Verwendung und gebe nun dem aktuellen Geschehen, „eine theatrale Note“. „Man muss sich diesem großen Drehbuch, das man nicht selbst geschrieben hat, einfach fügen.“

Oder aktiv werden. Vor drei Tagen hieß es: „Jetzt geht’s los“, erzählt Gordon Safari im Gespräch mit DrehPunktKultur am Montag (20.4.). Die nächsten fünf Tage wird komponiert. Premiere ist am 1. Mai. „Das Format für das Medium Internet ist die Kurzoper.“ Er mache keine „Klanginstallation“ betont Safari, sondern schreibe ganz klassisch am Klavier sitzend und tippe die Komposition dann in den in Computer, um sie durch Midi-Instrumente und Midi-Klänge darstellen zu lassen und eine „elektronische Anmutung zu bekommen“.

Da will also einer eine Oper schreiben und gründet das Opernunternehmen gleich mit dazu. So tickt Gordon Safari. Nach „einer schlaflosen Nacht vor einigen Tagen“ habe er mit seinen Partnern für Regie und Bühnenbild, Konstantin Paul und Michael Hofer-Lenz, die mit ihm schon mehrere dramatische Produktionen für BachWerkVokal realisiert haben, gesprochen: „Sie waren sofort dabei.“ Die Kollegen hätten große Lust, sich damit zu befassen, denn Oper und Kammeroper des 20. und 21. Jahrhunderts werde in Salzburg kaum gemacht. (Erwähnt sei das Taschenopernfestival; Anm.)  Eine gute Ausgangssituation. Und ihn freue es, so der Regionalkantor der evangelischen Kirche in Salzburg und Tirol, sich „neben dem Barock auch wieder anderen Dingen zuwenden zu können“.

Und ja, ganz genau: „Wir haben vor, in Zukunft regelmäßig als Kammeroper Salzburg Musik zu machen.“ Und zwar an „unterschiedlichen Spielstätten“ und möglichst nahe dran an Menschen, „die sich von klassischer Oper vielleicht gar nicht so abholen lassen“. Konkrete Titel außer dem der Gründungsoper Tag 47 wolle er noch nicht nennen, „wir sind ja erst drei Tage dabei“. Die Produktion einer Online-Oper samt Gründung eines Ensembles sei jedenfalls „nicht nur ein Krisenprojekt“, betont Gordon Safari. Das sei vor allem ein Signal: „Alle Festivals sagen ab, alle Theater sind geschlossen, jedes Konzert entfällt...  Die Kammeroper Salzburg wird gegründet, weil es gerade jetzt künstlerisch relevant ist!“

„Jedes Ensemble, jedes Orchester dreht inzwischen seinen Clip. Auch wir vom Ensemble BachWerkVokal haben das mit einem Bach-Choral getan.“ Es sei auch richtig und wichtig, „weiter als Gruppe zusammenzubleiben“. Dennoch habe er, so Gordon Safari, das Gefühl, es handle sich oft um „hilflose Aktionen“, die „mit dem Grundzustand nur reaktiv und nicht kreativ umgehen“. Der Umkehr-Gedanke: „Welchen Raum können wir überhaupt noch betreten?“ Es bleibe der digitale Raum, „und der ist dem realen Raum total unterlegen“. Stichwort Online-Chorgesang? „Das ist ja alles Fake, alles in Einzelspur aufgenommen...“

Darum geht der Vorstoß mit der neuen Oper auch direkt in diesen digitalen Raum. Eine Depressive, ein Liebespaar und ein Ehepaar, „wo er gewalttätig wird und sie versucht, in einem Tagebuch alles wegzuschreiben“ tragen die Handlung. Die erste Corona-Oper gleich nach dem ersten Corona-Roman? Wie groß ist die Gefahr, Betroffenheitskunst zu produzierten? „Als Betroffenheitskunst habe ich viele Youtube-Videos empfunden, die tröstlich sein wollen. Wir aber wollen versuchen, das Thema Isolation in größere Zusammenhänge zu stellen.“

 Übertragen wird Tag 47 am Freitag 1. Mai  ab 19 Uhr live auf Youtube oder www.kammeropersalzburg.com
Bild: Vinzens (1); Kammeroper Salzburg