Kurz gegen die Beatles, immer aber für Bach

TODESFALL / ALBERT HARTINGER

23/01/20 Über mehrere Jahrzehnte war Originalklang in Salzburg eigentlich nur mit dem Namen eines Impresarios verbunden: Albert Hartinger. Der Sänger, Mozarteums-Professor und Gründer der Salzburger Bachgesellschaft ist am 22. Jänner im Alter von 74 Jahren verstorben.

Von Heidemarie Klabacher und Reinhard Kriechbaum

Es war ja so, dass Nikolaus Harnoncourt zwar am Mozarteum unterrichtete, im Konzertleben der Stadt Salzburg aber lange als Persona non grata galt. Albert Hartinger gehörte zum Schülerkreis von Haroncourt. Hartinger war es, der mit der Gründung der Salzburger Bachgesellschaft 1976 im Konzertleben Salzburgs einen entscheidenden Impuls für die Originalklangbewegung setzte. Er hat dann Harnoncourt (mit dem er auch als Sänger musizierte) das erste Mal hierzulande aufs Podium geholt. Lang ist die Liste jener Künstler und Ensembles, denen er ihr Salzburg-Debut bei der Bachgesellschaft ermöglichte: dem Arnold Schönberg Chor, Jordi Savall und Hesperion XXI, Frans Brüggen mit dem Orchester des XVIII. Jahrhunderts, Trevor Pinnock und The English Concert, Il Giardino Armonico, Christophe Coin, Hopkinson Smith, den King`s Singers, dem Hilliard Ensemble, den Tallis Scholars, dem Consort of Musicke, London Baroque oder dem Quatuor Mosaiques.

Auf Hartingers Initiative hin wurde der Salzburger Bachchor (damals unter Howard Arman) gegründet, und später hat Hartinger mit seinem Collegium Vocale die heimische Chor-Szene nochmal bereichert. Der Pflege der Alten Musik und speziell des Werks von Bach hatte sich Hartinger über vier Jahrzehnte lang verschrieben. Ein Höhepunkt war für ihn gewiss im Jahr 2008 das 83. internationale Bachfest, das von der Salzburger Bachgesellschaft ausgerichtet wurde: eine Großveranstaltung mit 57 Veranstaltungen und rund 17.500 Zuhörern.

Dass Albert Hartinger 1946 in Seekirchen zur Welt kam, war dem Zufall geschuldet: Die Frauenklinik des Landeskrankenhauses war zu Kriegsende in die Hauptschule Seekirchen ausgelagert worden. Seinen Zugang zur Musik von Johann Sebastian Bach fand Hartinger bereits als Kind: Als Mitglied des von Anton Dawidowicz geleiteten Kinderchores von Radio Salzburg sang er im alten Festspielhaus bei einer Aufführung der Matthäuspassion mit. „Die Stelle 'Kommt ihr Töchter, helft mir klagen' ist mir wochenlang nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Sogar beim Schifahren hat sie mich begleitet“, sagte Hartinger einmal in einem Interview mit dem DrehPunktKultur. Mit Fünfzehn ist er Mitglied des Salzburger Domchores geworden, mit Sechzehn hat er das Bass-Solo in Mozarts „Spatzenmesse“ gesungen.

Eine Sache, für die Hartinger sich im Nachhinein immer wieder hat hänseln lassen müssen: Als die Beatles 1965 in Salzburg waren und den Film Help! drehten, war Hartinger unter einer Gruppe von Schülern, die am Flughafen der Euphorie der Fans mit einem Protest gegenzusteuern versuchten (Urheber dieser Anti-Beatles-Demo war übrigens der damals als Lehrerausbildner tätige Eberhard Stüber).

Im selben Jahr maturierte Hartinger an der Lehrerbildungsanstalt. Schon in der Schulzeit studierte er als außerordentlicher Hörer Klarinette am Mozarteum, später Musikerziehung und Gesang, dazu Philosophie, Psychologie und Pädagogik an der Universität: „In vier Jahren war alles absolviert.“ Seine Gesangsausbildung bei Kammersänger Heinrich Pflanzl (der ihm das Kantatenwerk von Bach nahe brachte) schloss er mit Auszeichnung ab. Zuvor errang er einen Ersten Preis beim Mozart-Wettbewerb mit einer Konzertverpflichtung bei der Mozartwoche. Nach einem Opernengagement am Staatstheater Braunschweig wandte er sich der Laufbahn des Konzertsängers und der Unterrichtstätigkeit zu. Er hatte Auftritte bei den Salzburger und Bregenzer Festspielen, beim Verona-Festival, im Wiener Musikverein und im Konzerthaus und wirkte an zahlreichen Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen mit.

1973 kam Albert Hartinger zurück ans Mozarteum, zunächst als Lehrbeauftragter, danach als Gastprofessor bzw. Vertragslehrer für Gesang. 1989 wurde er zum Ordentlichen Hochschulprofessor für Gesang ernannt, von 1989 bis 1993 war er Leiter der Abteilung für Musikpädagogik. Damals hat Hartinger sich sehr entschieden für die Erhaltung von IGP (Instrumental- und Gesangspädagogik) als selbständiger Studienrichtung eingesetzt. Er machte sich auch verdient um die Einrichtung des Lehrgangs Alpenländische Volksmusik bzw. für einen Schwerpunkt volksmusikalischer Fächer. Was wenig verwundert: Der Leiter der Bachgesellschaft wurde auch zum Promotor und Leiter des Institutes für Alte Musik an der Universität Mozarteum.

Die Vorfahren von Albert Hartinger waren Handwerker und Bauern im Innviertel. Vielleicht daher sein ungewöhnliches „Hobby“, das Renovieren alter Bauernhöfe. Das Bindermühl-Haus stand in Waldprechting bei Seekirchen einem Straßenneubau im Wege. Hartinger hat das Haus erworben, mit Unterstützung der Experten des Freilichtmuseums Großgmain abgetragen und in Roding wieder aufgestellt.

Bild: dpk-klaba;krie