Wie braun war die evangelische Kirchengemeinde?

HINTERGRUND / SALZBURG IN DER NS-ZEIT

13/11/12 Mehr als zweihundert Besucherinnen und Besucher kamen auch zum letzten Abend der Vortragsreihe „Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus“ in die TriBühne Lehen. Es besteht also reges Interesse an der Aufarbeitung der Zeitgeschichte, ein über mehrere Jahre sich hinziehendes großes Forschungsprojekt. Das Thema diesmal: Die Rolle der Kirchen in fraglicher Zeit.

Ernst Hanisch, einer der bekanntesten NS-Forscher in Österreich, der auch dem Leitungsteam des städtischen Forschungsprojekts angehört, stellte seinen Beitrag über die katholische Kirche unter das Motto „Zusammenarbeit und Verfolgung“. Er betonte, dass das Verhältnis von Katholizismus und Nationalsozialismus gut erforscht sei. Nach 1945 wurde die Opferrolle betont, später dann das Versagen der Kirche. Erst in einer dritten Phase wurde erkannt und ausgesprochen, dass die Kirche in verschiedenem Ausmaß Opfer und Komplize zugleich war. Sie blieb ein weltanschaulicher Gegner des Nationalsozialismus auch im Zweiten Weltkrieg, aber sie arbeitete loyal mit dem nationalsozialistischen Staat zusammen.

Während dieses Mischverhältnis in Salzburg auf der Ebene der Kirchenleitung bereits ausreichend analysiert wurde, setzte sich Hanisch damit erstmals auf der Ebene der Stadtpfarren und der Gläubigen auseinander. Seine Hauptquellen dazu sind die regelmäßig abgelieferten Seelsorgeberichte.

Friedrich Gottas, pensionierter Universitätsprofessor am Fachbereich Geschichte der Universität Salzburg, sprach unter der Devise „Zwischen Hoffnung und Enttäuschung“ über die Evangelische Pfarrgemeinde in Salzburg. Nach der als „neue Gegenreformation“ erlebten Ständestaatzeit erhoffte man sich einen neuen „kirchlichen Frühling“. Gerhard Florey, ab 1934 als hauptverantwortlicher Pfarrer in Salzburg, wie auch die drei Presbyter Robert Lippert, Herbert Michael und Dagobert Weber waren Mitglieder der NSDAP sowie Anhänger der Theologie der NS-nahen „Deutschen Christen“.

Nach der NS-Machtübernahme folgte für sie jedoch eine herbe Enttäuschung nach der anderen. Denn bereits im Sommer 1938 begann die NS-Führung auch in Österreich damit, den Einfluss nicht nur der katholischen, sondern auch der evangelischen Kirche auf die österreichische Gesellschaft zurück zu drängen.

Dabei wurden Gerhard Floreys NS-freundliche Aktivitäten keineswegs honoriert. Florey wurde 1941 zum Militärdienst eingezogen. Sein Nachfolger, Pfarrer Ernst Kruse, war eines ganz anderen Geistes Kind. Er gehörte der NS-kritischen „Bekennenden Kirche“ an. In seiner Gemeinde fand Kruse Sympathisanten und Widersacher vor, es gab erbitterte Auseinandersetzungen innerhalb der evangelischen Christen in Salzburg. Schon deshalb könne die oft gehörte Behauptung, dass die Salzburger Gemeinde eine „reine Nazigemeinde“ gewesen sei, nicht aufrechterhalten werden, so der Historiker Friedrich Gottas. (InfoZ/dpk)

Der für 15. November angekündigte Vortrag von Reinhold Reith muss aus Krankheitsgründen abgesagt werden. Themenschwerpunkt der Vortragsreihe im Herbst 2013 werden die NS-Machtstrukturen (NSDAP, SS, SA, GESTAPO, Wehrmacht usw.) in der Stadt Salzburg sein.

Die Vorträge dieses Herbstes werden wieder in eine Buchpublikation des Hauses für Stadtgeschichte einfließen. Die Reihe „Die Stadt Salzburg im Nationalsozialismus“ umfasst derzeit drei Bände, Zuletzt erschienen: „Leben im Terror. Verfolgung und Widerstand“, Hrsg. von Thomas Weidenholzer und Albert Lichtblau, € 19,80 – www.stadt-salzburg.at
Bild: Stadt Salzburg (1) / Stadtarchiv, Sammlung Krieger (1)
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