Orgelkrippe und Schneestiefel
HINTERGRUND / WEIHNACHTSBRIEFMARKE
06/12/24 Man reibt sich die Augen. Eine Million dreihundertfünfundsiebzigtausend. Das ist die Auflage einer der diesjährigen Sondermarken zum Weihnachtsfest Jener, die die Orgelkrippe von Wagrain zeigt. Die österreichische Post veröffentlicht heuer vier Weihnachtsmarken mit einer Gesamtauflage von fast 2,7 Millionen.
Von Reinhard Kriechbaum
Werden tatsächlich so viele Weihnachtskarten geschrieben und mit einschlägigen Motivmarken beklebt? Die Schneckenpost wird’s wissen. Weniger Sorge haben wir ja, dass die Sondermarken ausgehen, als dass die Weihnachtswünsche tatsächlich bis zum 24. Dezember im Briefkasten liegen.
Ganz eifrige Leute haben sich am vergangenen Freitag (29.11.) schon im Pflegerschlössl Wagrain Marke und Ersttags-Stempel geholt. Es wurde dort eben die Marke mit jener Krippenskulptur vorgestellt, die der Halleiner Bildhauer Jakob Adlhart d. J. 1952 geschaffen hat. Eine weitere neue Weihnachtsmarke konnte man da auch gleich mitnehmen: Sie zeigt den Schriftzug der ersten Strophe von Stille Nacht in Form eines Christbaums. Im Gegensatz zum Motiv der Orgelkrippe, das 1.375.000 Mal gedruckt wurde, bringt es dies Marke nur auf knapp über die Hälfte, nämlich 695.000.
Nicht die wichtigste, aber wahrscheinlich weltweit bekannteste Skulptur von Jakob Adlhart (1898-1985) ist der Vier-Masken-Block, der seit 1927 vor dem Hauptportal im Festspielbezirk steht, erst auf dem Vordach des Hauptportals zum Kleinen Festspielhaus und zur Felsenreitschule, seit dem Bau des Hauses für Mozart auf einer eigenen Stele. In der Stadt und im Bundesland Salzburg stößt man auf Adlhardt-Werke quasi auf Schritt und Tritt. Über dreißig sind es, vor allem kirchliche Kunst, aber auch die 1940 beim Eingang zum Schlosspark Kleßheim angebrachten Adler sind von ihm. Ebenfalls in der Nazizeit entstanden jene beiden Löwenfiguren, die jetzt etwas unmotiviert vor dem Linzer Hauptbahnhof stehen.
Bei der Briefmarken-Präsentation hat Michael Neureiter, ein Auskenner rund um Stille Nacht, Gruber und Mohr, erzählt, wie es zur Orgelkrippe in Wagrain kam. Die Verbindung Joseph Mohrs zu Wagrain: Der Textdichter des Stille Nacht war von 1837 bis zu seinem Tod 1848 Vikar an dieser Kirche. Im Jänner 1952 hatte sich in Wagrain eine Gruber-Mohr-Gesellschaft gebildet, erster Vereinszweck war „die bereits begonnene Erbauung der Mohr-Orgel in Wagrain“. Dieses Instrument, ursprünglich von der Salzburger Orgelbauanstalt Dreher und Flamm gebaut, wurde auf der Empore links und rechts von einer gotischen Mittelsäule platziert. Vorne an der Säule, zwischen den Emporenbrüstungen, also wurde am 8. Dezember 1952 Adlharts Skulptur angebracht. Die Gruppe besteht aus Josef, Maria und dem Kind sowie dem dahinterstehenden Engel, sie schweben auf einer Wolke.
Die jetzige Orgel mit einem unauffälligen modernen Prospekt ist 2006 gebaut worden. Als die Wagrainer Pfarrkirche erweitert wurde, war Jakob Adlhart 1976 wieder zur Stelle. Er gestaltete den Hochaltar neu und schuf für die gotische Madonna aus dem 14. Jahrhundert Wolken und Engel.
Salzburg hat mit der Orgelkrippe-Marke (sie wurde in Bogen gedruckt) und dem Stille-Nacht-Christbaum (als Rollmarke) auflagenmäßig die Nase ganz weit vorne. Die Sondermarke mit einem Motiv vom Traismaurer Krippenspiel (in Niederösterreich) bringt es nur auf 232.500 Stück. Das ist ein Stabpuppentheater. Mit 42 Stabpuppen werden in 9 Szenen und 28 Liedern religiöse Themen wie die Geburt Jesu dargestellt, es werden aber auch volkstümliche Figuren vorgestellt und vom örtlichen Gesangsverein Liebeslieder und sozialkritische Gesänge dargeboten. Ein Handschuhmacher hat Figuren und Bühne um 1810 geschaffen. Einzelne Textteile sind vermutlich noch älter. Bis 1917/18 wurden die mundartlichen Texte und Szenen nur mündlich weitergegeben. In den 1950er Jahren wurde das Krippenspiel im Traismaurer Museum wiederentdeckt, seitdem wird es alljährlich wieder aufgeführt.
Die vierte Weihnachtsmarke heuer zeigt eine schlichten Weihnachtskranz. So etwas hängen Leute mit Deko-Fimmel gerne auf. Aber auch wer mit Weihnachten nichts am Hut hat, wird im aktuellen Briefmarkensortiment fündig. Es gibt einen Bogen mit Wintermotiv, der zehn Marken mit ganz kleinen Werten enthält. Das sind Ergänzungsmarken, falls es sich mit den üblichen 95 Cent oder 1,20 Euro nicht ausgeht.
Und noch was recht Witziges: Wir dachten ja immer, dass die Rechteckform für Briefmarken gottgegeben ist. Heuer kann man aber auch eine Marke in Form eines Schneestiefels aufs Couvert kleben. Immerhin mit den üblichen Zacken. Damit ist eine vierteilige Reihe mit typischer Winterkleidung (Fäustling, Wollhaube, Pullover) komplett.