Der erste Testballon
HINTERGRUND / STRASSEN-UMBENENNUNG
28/11/24 Der eine war zwar Mitbegründer der Salzburger Festspiele, aber in der Nazi-Zeit ist er übel hergefallen über Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal. Die andere hat nach Heimkehr aus dem Exil lange um ihren damals eingezogenen Besitz kämpfen müssen. – Die Heinrich-Damisch-Straße im Stadtteil Aigen wird zur Helene-Thimig-Straße.
Von Reinhard Kriechbaum
SPÖ-Gemeinderat Sebastian Lankes spricht von einem „Meilenstein in Sachen Erinnerungskultur“. Nikolaus Kohlberger von der KPÖ PLUS sagt, es sei seiner Partei seit langer Zeit ein politisches Anliegen gewesen, die Umbenennung von belasteten Straßennamen voranzutreiben, die zum Beispiel bekennende Nationalsozialisten und Antisemiten ehren. „Die Würdigung von Helene Thimig im Straßenbild ist erinnerungspolitisch ein wichtiger erster Schritt in die Richtung einer weiteren Aufarbeitung unserer Stadtgeschichte.“ Und Gemeinderat Markus Grüner-Musil erinnert daran, dass sich die Bürgerliste in den letzten Jahrzehnten konsequent für eine kritische Aufarbeitung der NS-Geschichte in unserer Stadt engagiert und sich „nun endlich im Gemeinderat die nötige Mehrheit“ gefunden habe. „Die Umbenennung in Helene-Thimig-Straße ist auch als klares Bekenntnis gegen Antisemitismus und Fremdfeindlichkeit in der Gegenwart zu verstehen.“
SPÖ, Bürgerliste und KPÖ PLUS bekannten sich in ihrem Arbeitsübereinkommen zu einem Pilotprojekt. Die Umbenennung der Heinrich-Damisch-Straße ist der erste Versuchsballon. Überschaubar, bei nur 34 Haupt- und Nebenwohnsitzmeldungen und vier aufrechten Gewerben an diesen Adressen. Die Anrainer wurden von Bürgermeister Auinger zu einem gemeinsamen Termin eingeladen, um sie von Seiten der Stadt bestmöglich unterstützen zu können. Es wird ihnen eine Checkliste mit den wichtigsten Schritten und eine Auflistung von möglichen Einrichtungen, denen die neue Adresse bekannt gegeben werden muss, zur Verfügung gestellt. Die Kosten, die den Anwohnern im Zusammenhang mit der Umbenennung entstehen, werden von der Stadt übernommen.
Die Schauspielerin Helene Thimig (1889-1974) entstammte einer bekannten Wiener Theaterdynastie. Mitte der 1930er Jahre heiratete sie Max Reinhardt und trat oft bei den Festspielen auf. 1937 reisten Thimig und Reinhardt nach den Festspielen in die USA. Nach dem Anschluss war es für Reinhardt, der jüdischer Herkunft war, nicht mehr möglich, nach Österreich zurückzukehren. Helene Thimig wäre dies sehr wohl möglich gewesen, sie blieb aber bei ihrem Mann in den USA, wodurch sie ihren gesamten Besitz in Österreich verlor. Thimig blieb auch nach dem Tod Max Reinhardts im Jahr 1943 in ihrem Exil in den USA. Erst im Jahr 1946, nach dem Sturz des NS-Regimes, kehrte sie nach Österreich zurück. Hier wurde sie zwar willkommen geheißen, musste allerdings lange um die Rückgabe ihres Besitzes und das Erbe ihres Mannes kämpfen. In den folgenden Jahrzehnten übernahm Thimig wichtige Rollen bei den Salzburger Festspielen und leitete von 1948 bis 1954 das von ihrem verstorbenen Mann gegründete „Max Reinhardt Seminar“.
Heinrich Damisch (1872-1961), in Wien geboren, gründete gemeinsam mit Friedrich Gehmacher 1917 die „Salzburger Festspielhaus-Gemeinde“ in Wien. Er gilt als einer der Gründerväter der Salzburger Festspiele. Als Musikkritiker veröffentlichte er antisemitische Artikel (unter anderem gegen Gustav Mahler). Den Höhepunkt seines antisemitischen Schreibens erreichte er 1938 mit dem Artikel „Die Verjudung des österreichischen Musiklebens“. Während der NS-Zeit – er wurde bereits im Jahr 1932 Mitglied der NSDAP - verunglimpfte Damisch die Rolle von Max Reinhardt und Hugo von Hofmannsthal bei der Realisierung der Festspiele. Zu seinem 70. Geburtstag erhielt Damisch von NS-Propagandaminister Joseph Goebbels nicht nur Glückwünsche, sondern zusätzlich auf dessen Anordnung eine „Geburtstagsspende“ in der Höhe von 10.000 Reichsmark. Nach Kriegsende wurde Damisch als „minderbelastet“ eingestuft und erhielt zahlreiche Ehrungen. Er starb 1961 in Salzburg.
Die Straßenumbenennung soll 2025 realisiert werden. In der Diskussion im Kulturausschuss sprach sich die FPÖ erwartungsgemäß gegen eine Umbenennung aus, „nicht um totalitäre Systeme zu verharmlosen, sondern weil sie für einen vernünftigen Umgang mit der Vergangenheit“ stehe. Von ÖVP-Seite lobte man die Analyse und Aufarbeitung der NS-belasteten Straßennamen, betont aber, dass es „unterschiedliche Ansätze für den Umgang mit diesem Thema“ gebe. Man wolle „eine aktive Erinnerungskultur, ohne etwas auszulöschen“. Der Amtsbericht wurde schließlich gegen die FPÖ und ÖVP beschlossen. Der finale Beschluss wird im Gemeinderat getroffen.
Bilder: SPÖ/KPÖ plus/BL (1); Bildarchiv der ÖNB (1); United States Library of Congress's Prints and Photographs division (1)