Mit der Wahrheit auf Kriegsfuß

GEDENKEN BÜCHERVERBRENNUNG

28/04/22 Wenn die Initiative Freies Wort und viele, viele andere Kulturinstitutionen Jahr für Jahr das Gedenken an die Bücherverbrennung 1938 auf dem Residenzplatz wach halten, ist das mehr als Erinnerungs-Folklore.

Gerade jetzt sehen wir, wie rasch es gehen kann mit Manipulation und Stimmungsmache – und wir erleben auf europäischem Boden das Maximum an Eskalation. Wahrheit ist, wenn man es so salopp sagen will, das Motto der Stunde, denn beim jährlichen Gedenken an die Bücherverbrennung geht es nicht um einen historischen Rückblick.

„Ziel ist stets, die Verbindung zur Gegenwart deutlich zu machen und ein mutiges Zeichen gegen Intoleranz und für Mitsprache zu setzen“, betonten Tomas Friedmann, Albert Lichtblau, Karl Müller heute Donnerstag (28.4.) bei der Vorstellung des Programms am Gedenktag, dem 30. April.

Die entscheidende Frage nach Wahrheit also, in einer Zeit, da persönliche Wahrnehmungen und Meinungen zunehmend wissenschaftliche Erkenntnisse verdrängen: „Immer mehr Menschen scheinen – nicht erst seit der Corona-Pandemie – mit Aufklärung und Wirklichkeit auf Kriegsfuß zu stehen: Zweifel und Gerüchte, Fake-News und Lügen, Verschwörungstheorien und Mythen überlagern oft die Wahrheit“, so die Veranstalter über ihre Motivation.

Was passiert aber mit einer Gesellschaft, die Fakten nicht mehr als solche erkennt und akzeptiert, die etwa Krieg nicht mehr Krieg nennt? Dazu gibt es am kommenden Samstag (30.4.) um 11 Uhr eine Diskussion im Salzburg-Museum, die man auch über Live-Stream auf FS1 wird verfolgen können. Einer der Teilnehmer ist der Schriftsteller Ilija Trojanow, dessen Fluchtweg seinerzeit über Jugoslawien und Italien nach Deutschland, den der Weg über Nairobi, Paris, Mumbai und Kapstadt schließlich nach Wien führte. Er ist also einer, der genug Wahrheit (und verbreitete Unwahrheit) gesehen hat in seinem Leben. Kein Wunder, dass er auch Unterstützer der Charta der Digitalen Grundrechte 2016 ist. Weiters auf dem Podium: Barbara Blaha, die Gründerin des Politkongresses Momentum (2008) und des Thinktanks Momentum Institut (2019). Mirjam Zadoff ist Historikerin und seit 2018 Direktorin des NS-Dokumentationszentrum München. Diskussionsleiter ist der ORF-Journalist Günter Kaindlstorfer.

Für 12.30 Uhr (nach der Diskussion, also zeitlich wohl nicht auf die Minute planbar) wird dann die Schriftstellerin, Journalistin und langjährige Leiterin der Rauriser Literaturtage Brita Steinwendtner beim Mahnmal auf dem Residenzplatz eine Rede halten. Dazu gibt es Flötenmusik (Irmgard Messin) – und das sind nicht die einzigen Töne, denn auch heuer ist zu dem Anlass das Salzburger Glockenspiel entsprechend programmiert: Der Song Donna Donna (Text: Aaron Zeitlin, Musik: Sholom Secunda; hebr. Donaj/Adonai) wurde 1940 für das Musical Esterke geschrieben. Es ist ursprünglich ein Lied ashkenasischer (also osteuropäischer) Juden. Die dritte Strophe: „Arme Kälbchen kann man fesseln und zum Schlächter schleppen hin, / frei zu sein bedarf es Flügel, und du fliegst zum Himmel hin. / Lacht der Wind im Kornfeld, lacht und lacht und lacht, / lacht den ganzen Tag darüber und noch die halbe Nacht. / Donaj, Donaj, Donaj....... daj!“ (Initiative Freies Wort)

Erinnerung an die Salzburger Bücherverbrennung 1938, Samstag (30.4.). Diskussinonsveranstaltung um 11 Uhr im Salzburg Museum (Kuenburg-Saal) und ab 12.30 Uhr beim Mahnmal auf dem Residenzplatz. Im Live-Stream über FS1
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Um die Frage nach der Wahrheit geht es auch in dem neuen Roman „Die Einstellung“ von Doron Rabinovici. Der Autor liest morgen Freitag (29.4.) im Literaturhaus Salzburg – www.literaturhaus-salzburg.at
Bilder: Logo der diesjährigen Veranstaltung (1); Literaturhaus Salzburg (1); dpk-klaba (1)
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