Endlichkeit – weg damit?

SALZBURGER HOCHSCHULWOCHEN

03/08/10 Die Salzburger Hochschulwoche 2010 zum Thema „Endlich! Leben und Überleben“ wurden am Montag (2.8.) eröffnet. Aus theologischer und ökonomischer Perspektive wurden Blicke auf die Endlichkeit unseres Lebens geworfen.

Reflexionen über Endlichkeit, über ‚Leben und Überleben’ seien immer dringlich, aber „die politischen, ökonomischen und besonders die ökologischen Entwicklungen dieses Jahres“ forderten geradezu auf, sich dem Thema mit grundsätzlicher Nachdenklichkeit zu stellen“, so  Hochschulwochen-Obmann Gregor Maria Hoff. Auch Alois Kothgasser strich in seiner Eröffnungsrede in der Großen Aula die Brisanz des Themas heraus: „Unser Leben und das der kommenden Generationen steht vor gesellschaftlichen Überlebensfragen.“ Gleichzeitig eröffne, so der Erzbischof, die Anerkennung menschlicher Endlichkeit aber auch neue Perspektiven: „Die Annahme unserer Endlichkeit bedeutet Menschlichkeit, weil sie jedem einzelnen Menschen Lebensraum gibt.“

Dass die vielfältigen Erfahrungen von Endlichkeit und Begrenztheit zunächst jedoch verunsichern, strich Klaus Müller, hervor: „Obwohl uns die Endlichkeit buchstäblich auf den Leib geschrieben ist, haben wir Angst vor ihr.“ Das zeige sich vor allem darin, „wie wir uns in unserem Dasein – nicht zuletzt auch anderen gegenüber – selbst zu erhalten suchen“. In dieser Konkurrenzsituation seien „zwangsläufig Keime einer Eskalationslogik präsent“, was politisch, ökonomisch und ökologisch „ins Desaster von Gewaltszenarios führen“ könne. In diesen Szenarien der Endlichkeit, so der Professor für Philosophische Grundfragen der Theologie an der Universität Münster, werde das Sterben „mehr und mehr als ein Skandal“ empfunden, „den es abzustellen gilt.“ Das Motto unserer Zeit: „Endlichkeit – weg damit!“

Bis dahin hätten „Fluchtwege aus der Endlichkeit“ Hochkonjunktur. An erster Stelle stehe hier die Beschleunigung der Lebensrhythmen: „Grundelement einer umgreifenden Suchtkultur“: „Weil sich Sterblichkeit nicht abschütteln lässt, wird beschleunigt. Durch Geschwindigkeit wollen wir unsere Endlichkeit überspringen.“

Müller plädierte in seiner zweiten Vorlesung am Dienstag (3.8.) für die Wiederentdeckung einer „ars moriendi“, der „Kunst des Sterbens“. Diese Kunst beginne dort, wo der Mensch seine Endlichkeit als ein unausweichliches Element seiner Existenz anerkennt, und damit gleichzeitig „ans Ewige rührt“: So eröffnen sich „Perspektiven über die Endlichkeit hinaus“. Die damit gewonnene Würde befreie von der „Angst, zu wenig zu sein und zu haben“.

Rainer Hank, Ressortleiter für Wirtschaft und „Geld und mehr“ bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, entwickelt eine Theorie der Knappheit: „Menschliche Wünsche sind unbegrenzt. Unsere Ressourcen sind begrenzt. Das ist der Ursprung aller Knappheit und zugleich die Urszene der Ökonomie.“

Nur was knapp ist sei etwas wert. „Aber wie knapp etwas ist, kann man im vorhinein nicht wissen“, hängte von der subjektiven Wertschätzung der Menschen ab.Preise bringen diese relativen Knappheiten zum Ausdruck – sie zeigen am besten an, was eine Gesellschaft haben will. Für Hank hat eine Theorie der Knappheit damit einen „melancholischen Grundton“: „Das Paradies liegt hinter uns. Wir können nicht alles haben, es gibt nichts umsonst. Alles hat seinen Preis.“


Dem unerfüllbaren Traum von unbegrenzten Ressourcen stellt Hank die positiven Effekte von Knappheit entgegen: „Ein Leben in Überfluss wäre fürchterlich. Wer alles haben kann, will nichts haben.“ Knappheit von Gütern ist die Grundlage für die Achtung vor der Welt. In Hanks Theorie der Knappheit gilt es, die „Beschränkung als Voraussetzung für ein gutes Leben anzunehmen.“ Sie ist einer Welt des Überflusses und der allgegenwärtigen Muße vorzuziehen – „ein Schlaraffenland ist nicht wünschenswert.“ (SHW1/jugru)