Fromme Wünsche und die türkise Realität

HINTERGRUND / KINDESWOHL-KOMMISSION

05/02/21 Die Abschiebung von Kindern jüngst hat zu veritablen Verwerfungen in der Koaluition geführt. Über all diesen Kontroversen darf man nicht übersehen: Kinder sind so und so die Leidtragenden, und ihre Rechte sind zwar in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschrieben – aber das schert die Politik herzlich wenig.

Von Reinhard Kriechbaum

„Die Kinder- und Jugendanwaltschaften (kijas) Österreichs haben sich zu den laufenden Verschärfungen der Asyl- und Fremdengesetze der vergangenen Jahre in zahlreichen Stellungnahmen und Positionspapieren immer wieder kritisch zu Wort gemeldet, da diese nicht mit den Schutzgarantien und Grundsätzen der UN-Kinderrechtskonvention übereinstimmen.“ Daran erinnert Andrea Holz-Dahrenstaedt.

Bereits 2015 haben die kijas – neben vielen anderen Empfehlungen für solche Fälle – auch eine „echte“ Kindeswohlprüfung im gesamten Verfahren, insbesondere im Fall einer Abschiebung gefordert. „Echt“ heißt also: umfassend, nachvollziehbar und vor allem verpflichtend. Bindung und Sozialisation an und in Österreich, Dauer des Aufenthalts im Verhältnis zum Alter, physische und psychische Gesundheit, Traumafolgen, Zugang zum Gesundheitssystem, (Über)lebens-, Bildungs- und Entwicklungschancen im Herkunftsland: Das seien einige Punkte, die „individuell und vorrangig von unabhängigen Expertinnen und Experten geprüft“ werden sollen, so die Kinder- und Jugendanwältin des Landes Salzburg.

„Denn bei allen Maßnahmen ist das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen, so lautet der Artikel 1 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern, das vor zehn Jahren in Kraft getreten ist.“ Andrea Holz-Dahrenstaedt sieht wie viele andere Juristen durchaus Wege, die dem Innenminister eine andere Entscheidung zugunsten der gut integrierten Mädchen offen gelassen hätten: „Laut Judikatur des EGMR muss im Fall einer Rückführung begründet werden, warum im Einzelfall die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung schwerer wiegen, als die Interessen des Kindes an der Fortsetzung des Aufenthalts. Bei in Österreich verwurzelten Kindern oder Jugendlichen wird dies schwerlich argumentierbar sein.“

Was sich Andrea Holz-Dahrenstaedt so wie ihre Kija-Kolleginnen wünscht, sind die Bestellung eines Kinderbeistands oder der erleichterte Zugang zur Staatsbürgerschaft in Österreich geborener Kinder. „Es gibt in anderen Ländern, etwa in der Schweiz, in Luxemburg, in Belgien oder in Schweden einige weitere Models of Good Practise dazu.“

Jedenfalls dürfe die nun neu ins Leben gerufene Kommission keine Alibiaktion sein. Die geradezu verächtliche Stellungnahme des türkisen Klubobmanns August Wöginger im Ö1-Morgenjournal wies leider in eine ganz andere Richtung. Er rekurrierte stur „aufs Regierungsprogramm“. Es spricht Bände über die Kultur der politischen Diskussion in unserem Land und über den Stellenwert, den Kinder und Jugendliche darin einnehmen.

„Die Evaluierung des BVG Kinderrechte ist Teil des Regierungsprogramms“, erinnert die Kinder- und Jugendanwältin. „Die kijas bringen ihre langjährigen und vielfältigen Erfahrungen zur Präzisierung von Vorschlägen für kinderrechtskonforme rechtliche Rahmenbedingungen und eine ebensolche Verwaltungspraxis gerne ein.“

Bild: Land Salzburg/Stefan Mayer