Zahlen oder nicht zahlen?

MICA INTERVIEW / RECHTSANWALT WOLFGANG RENZL

18/03/20 Mica – music austria wurde 1994 als gemeinnütziger Verein und professioneller Partner für Musikschaffende in Österreich gegründet. Die Corona-Krise stellt die Kulturszene vor schwerwiegende rechtliche Fragen. Im Mica-Interview antwortet Rechtsanwalt Wolfgang Renzl.

Frage: Was gilt im Fall von geförderten Projekten, die nun nur beschränkt oder gar nicht durchgeführt werden können?
Antwort: Es besteht Informationspflicht: Veranstalter*innen von geförderten Projekten müssen die Förderstellen unverzüglich darüber in Kenntnis setzen, wenn ein Projekt nur in beschränktem Ausmaß oder gar nicht stattfinden kann.

Das Bundesministerium für Kunst, öffentlichen Dienst und Sport schreibt dazu: „Bitte nehmen Sie jedenfalls Kontakt mit der zuständigen Fachabteilung auf – wir bemühen uns, unbürokratisch eine praktikable Lösung zu finden. Unser Ziel ist, dass ein Veranstalter durch eine Absage weder besser noch schlechter gestellt wird als bei der geplanten Abhaltung der Veranstaltung.

Bitte achten Sie darauf, dass Sie so bald als möglich schadensminimierende Maßnahmen setzen, um die Kosten so gering wie möglich zu halten. Leistungen und Vorhaben, die nicht mehr durchgeführt werden (können), können bis zum Ausmaß der bereits entstandenen Verpflichtungen im Rahmen der bereits zugesagten Förderung anerkannt werden. Ein schriftlicher Kostennachweis ist dafür erforderlich. Die darüberhinausgehende Fördersumme muss zurückgezahlt werden.

Leistungen und Vorhaben, die verschoben und/oder abgeändert werden sollen, sind unter Nachweis der bereits entstandenen Kosten, der zuständigen Fachabteilung bekannt zu geben, die eine Umwidmung der Förderung vornimmt. Entstehen durch die Verschiebung/Änderung zusätzliche Kosten, ersuchen wir Sie, mit der zuständigen Fachabteilung in Kontakt zu treten, um im Rahmen der vorhandenen budgetären Möglichkeiten eine Lösung zu erarbeiten. Nehmen Sie bei einer Absage, Verschiebung oder Veränderung unbedingt auch rasch Kontakt mit sämtlichen anderen fördernden Einrichtungen auf!“

Frage: Ist es sinnvoll Verdienstentgänge zu dokumentieren? Wer ist dafür zuständig?
Antwort: Das BMKÖS hält zum Thema Entschädigungen fest „Einen generellen Anspruch auf Entschädigung für entgangene Einnahmen gibt es derzeit nicht. Wir sind um eine rasche Klärung der weiteren Vorgangsweise bemüht.“ § 32 Epidemiegesetz regelt den Ersatz von Verdienstentgängen. Allerdings findet sich keine Regelung zum Ersatz von Verdienstentgängen auf der Grundlage des § 15 Epidemiegesetz.

Für den Fall, dass es Entschädigungszahlungen geben sollte, raten wir allen Kunstschaffenden und VeranstalterInnen Einnahmenausfälle genau zu dokumentieren. In die Dokumentation einfließen sollten bereits getätigte Ausgaben, Einnahmenausfälle, Rückerstattungen, Stornierung von Aufträgen etc. Um sich die Möglichkeit zu erhalten, zu einem Verdienstentgang zu kommen, wäre jedenfalls binnen 6 Wochen ein Antrag bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde einzubringen (§ 33 Epidemiegesetz). Im Moment fraglich ist, wie mit Veranstaltungen, die im erlaubten Rahmen passieren, die aber aufgrund der aktuellen Lage und dem Fernbleiben des Großteils der Besucher*innen dennoch abgesagt werden müssen, umgegangen wird. Auch hier raten wir diese Veranstaltungen zu dokumentieren. mica – music austria setzt sich gemeinsam mit anderen Verbänden und Organisationen dafür ein, dass es zu Entschädigungszahlungen kommt.

Frage: Was passiert mit einer Veranstaltung, die bereits organisiert ist und nun abgesagt werden muss? Wer trägt die Kosten?
Antwort: Eine Veranstaltung, die dem behördlichen Verbot unterliegt, ist abzusagen. Es liegt hier ein Fall der „höheren Gewalt“ vor. Der abgeschlossene Vertrag – zum Beispiel über einen Auftritt – „zerfällt“. Das bedeutet, dass keine der Vertragsparteien verpflichtet ist, ihre Leistungen zu erbringen. Auf Seiten der Künstler*innen entfällt die Verpflichtung zum Auftritt, auf Seiten des Veranstalters entfällt die Verpflichtung zur Zahlung der Gage. Wurde bereits ein Teil der Gage voraus bezahlt, so hat der*die Künstler*in diese Gage zurückzuzahlen. Hat der Veranstalter wiederum bereits Karten verkauft, so hat er den Besucher*innen den Ticketpreis zurückzuerstatten.

Frage: Sind Verschiebungen von Veranstaltungsterminen eine Alternative für abgesagte Termine? Welche Alternativen gibt es noch?
Antwort: Viele Veranstalter*innen werden versuchen, einen Alternativtermin zu finden. Da es sich bei einem konkret vereinbarten Konzerttermin allerdings um ein Fixgeschäft – das ist ein Geschäft, das zu einem bestimmten Termin erfüllt werden muss – handelt, kann der neue Termin richtigerweise nicht einseitig vom Veranstalter festgelegt werden. Es bedarf also einer Vereinbarung, der beide Seiten, sprich Musikschaffende und Veranstalter*innen zustimmen. Eine weitere Alternative könnte es sein, die Veranstaltung neu zu skalieren, um unter die behördlich vorgeschriebene höchste Besucherzahl zu kommen.

Frage: Welche Zahlen gelten nun für Veranstaltungen: Die Zahl der tatsächlich anwesenden Besucher*innen (= der Durchlauf), oder das Fassungsvermögen laut Betriebsanlagengenehmigung
Antwort: Grundsätzlich geht es nach dem § 15 Epidemiegesetz um die Verhinderung des „Zusammenströmens größere Menschenmengen“. Damit wäre auf die Größe der Menschenmenge und nicht die Größe der Veranstaltungsstätte abzustellen.

Frage: Kann die Zahl der zulässigen Besucher*innen „verdoppelt“ werden, wenn mehrere kleine Räume vorhanden sind?
Antwort: Es liegen noch nicht alle Verordnungen vor. Die Formulierungen bieten zwar teilweise Anhaltspunkte für eine derartige Auslegung, nach dem Zweck der Regelung ist das aber eher nicht zu empfehlen.

Frage: Zählt Personal mit oder nicht?
Antwort: Personal zählt mit.

Frage: Was droht bei Nichtbefolgung des Veranstaltungsverbots? Sprich, man hält eine Veranstaltung in einer nicht zulässigen Größe trotzdem ab.
Antwort: Die drohenden Verwaltungsstrafen sind mit 1.450 Euro überschaubar. Allerdings sind auch Schadenersatzpflichten denkbar, wenn sich ein Besucher ansteckt.

Frage: Angenommen für eine Veranstaltung wurden Vorleistungen erbracht oder Handlungen gesetzt (zB. Zugticket gekauft, Hotel bezahlt, Buchung getätigt, Lichtkonzept erarbeitet). Wird es eine Stelle geben, an die vonseiten Veranstalter*innen bzw. Musikschaffenden Forderungen für Kompensationszahlungen gerichtet werden können?
Antwort: Aktuell ist leider nichts bekannt.

Frage: Was gilt bei Veranstaltungen, wenn kein Vertrag vorliegt?
Antwort: Ein Vertrag liegt wohl immer vor, vielleicht ist er nicht schriftlich dokumentiert.

Frage: Wenn Veranstaltungen abgesagt werden, aber die Vorleistungen – also Proben – bereits stattgefunden haben, dann müssen diese auch bezahlt werden. Sprich: Die Gruppe / Companie bezahlt ihr Mitwirkenden für die Probephase, aber nicht für die Vorstellungen. Der Koproduktionspartner wiederum muss einen entsprechenden Anteil der vereinbarten Koproduktionssumme bezahlen? Die gesamte Koproduktionssumme bezahlen?
Antwort:Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Proben dienen dem Ziel der Aufführung. Wenn die Aufführung entfällt, besteht auch kein Bedarf an Proben. Das ist ein einheitliches „Werk“, das nicht geteilt werden kann. Ob bereits geleistete Probenarbeit zu bezahlen ist, wäre im Einzelfall zu überprüfen.

DrehPunktKultur dankt seinem Kooperationspartner Mica Austria. Das Interview mit Rechtsanwalt Wolfgang Renzl ist nachzulesen auf - www.musicaustria.at - dort finden Kulturveranstalter und Kulturschaffende auch Informationen zu Unterstützungsmaßnamen und -möglichkeiten
Bild: Mica / Pixabay