Der Kelten Gier nach griechischem Wein

ARCHÄOLOGIE / KELTENMUSEUM

06/11/19 „Die Archäologie in der keltischen Salzmetropole am Dürrnberg bei Hallein ist immer für eine Überraschung gut“, heißt es in einer Presseaussendung des Keltenmuseums heute Mittwoch (6.11.). Da stellt sich der Laie vor, dass gerade etwas Verblüffendes aus der Erde geholt worden ist.

Stimmt nicht ganz: Es geht zwar um ein durchaus spektakuläres Fundstück, aber es ist schon 36 Jahre her, dass es gehoben wurde. In einer Pappschachtel mit Funden einer Halleiner Ausgrabung aus dem Jahr 1983 entdeckte der Leiter der Dürrnberforschung, Holger Wendling, ein bloß einen Zentimeter großes Keramikbruchstück. Was ihn stutzig machte: Der glänzend schwarze Überzug ist für das Geschirr der einheimischen Kelten um 450 v. Chr. ganz untypisch.

Tatsächlich gehört das so unscheinbare Keramikfragment zu einer Trinkschale, die vor 2500 Jahren aus Griechenland zum Dürrnberg gelangte. Der sensationelle Neufund ist erst das dritte Stück antiker griechischer Keramik, das jemals in Österreich gefunden wurde. „So einen spektakulären Fund macht man nicht alle Tage – erst recht nicht im Museumsdepot“, schwärmt Holger Wendling. „Das Fragment aus dem Henkel einer Trinkschale belegt einmal mehr die weitreichenden Kontakte der Dürrnberger Kelten vor 2500 Jahren.“

Archäologischer Lokalpatriotismus ist am Platz, denn auch ein zweites der bloß drei griechischen Fundstücke aus österreichischer Erde stammt vom Dürrnberg. 1959 stieß man hier in einem Prunkgrab eines keltischen Streitwagenkriegers auf eine vollständig erhaltene Schale mit dem charakteristischen schwarzen Firnisüberzug. „Zusammen mit einer weingefüllten Feldflasche aus demselben Grab belegt sie die sprichwörtliche Gier der Kelten nach einem guten Tropfen aus dem Mittelmeerraum“, mutmaßt Holger Wendling. Einschlägige Belege sind trotzdem denkbar rar. Der dritte Griechenfund in Österreich – die Scherbe eines großen Weinmischgefäßes – stammt vom Hemmaberg in Kärnten.

Die Trinkschale, aus deren Henkel das nun im Depot des Keltenmuseums aufgestöberte und identifizierte Keramikstück stammt, wurde vor rund 2500 Jahren über Italien und die Alpenpässe entlang der Salzach bis an den Fuß des Dürrnbergs gebracht. „Im Austausch für das 'Weiße Gold' gelangte wohl auch das exotische Trinkgefäß an den Nordrand der Alpen.“

Der Dürrnberg bei Hallein war eines der wichtigsten Siedlungszentren der Keltenzeit in Europa. Der Salzbergbau brachte seinen Bewohnern vor rund 2500 Jahren unermesslichen Reichtum und vielfältige Kontakte, die weit über die heutige Region Salzburg hinausreichten. Besonders die Gräber der eisenzeitlichen Bergbaugemeinschaft bergen oftmals außergewöhnliche Funde, unter denen sich nicht selten Dinge aus Gold oder Silber, aber vor allem exotische Importe aus fernen Regionen beiderseits der Alpen finden. Hierzu zählen Gegenstände, die ihren Weg aus südlichen Gefilden, aus den griechischen und römischen Kulturen des Mittelmeerraums über den Alpenkamm gefunden haben. Ihr Besitz brachte den Herrscherinnen und Herrschern der eisenzeitlichen Gesellschaften Mitteleuropas Status und Prestige, ihr Austausch festigte politische Allianzen und besiegelte Handels- und Heiratsverbindungen. Das unscheinbare Henkelfragment einer griechischen Trinkschale, das um 450 v. Chr. im Hafen der Sonderwirtschaftszone auf dem Dürrnberg angekommen war, ist ein weiterer einzigartiger Beleg dieser globalen Beziehungen der antiken Welt.

Florian Knopp, Leiter des Keltenmuseums: „Die Identifizierung des Depotfundes unterstreicht nicht nur den herausragenden Stellenwert des Fundortes Bad Dürrnberg, sondern zeigt wieder einmal, wie wichtig die aktive Forschung für einen Museumstandort ist. In den letzten Jahrzehnten waren immer wieder umfangreiche Notbergungen nötig.“ Deren Aufarbeitung braucht natürlich ihre Zeit. Seit dem Jahr 2013 erscheinen regelmäßig Publikationen, die die Altgrabungen zum ersten Mal oder

aktualisiert vorlegen. (Keltenmuseum/dpk-krie)

Bilder: Keltenmuseum Hallein / Coen Kossmann