Mit den Kollegen unter einem Dach

SEEKIRCHEN / GESCHICHTE / KOLLEGIATSSTIFT

30/04/19 Kollegiatsstift – ein Begriff, den man erklären muss: Es ist eine Art Kloster für Nicht-Mönche, eine Gruppe von Weltpriestern, die sich zu einer Gemeinschaft zusammengeschlossen haben. In der Erzdiözese Salzburg gibt es zwei solcher Kollegiatsstifte, Mattsee und Seekirchen.

Von Reinhard Kriechbaum

Jenes von Mattsee hat einen gewissen Stellenwert in der Kirchengeschichte unseres Landes, nicht nur, weil es 760/65 von dem Bayernherzog Tassilo III. gegründet wurde, ursprünglich als Benediktinerkloster. Dieses wurde im 11. Jahrhundert in eine Weltpriestergemeinschaft umgewandelt, die älteste in Österreich. Wenn man schon beim ansehnlichen Alter ist: Seit 1150 besitzt das Mattseer Kollegiatsstift Weingärten in der Wachau und im Kremstal, derzeit in Stein und Mauten.

Viel jünger als Mattsee ist das Kollegiatsstift Seekirchen. Von ihm war dieser Tage in den Medien die Rede, denn das Stiftsgebäude aus dem Jahr 1679 ist seit dem Sommer vergangenen Jahres saniert und umgebaut worden. Die Außenfassade samt Fenster und Dach waren bereits vor Jahren restauriert worden, nun ging es um die Infrastruktur im Inneren des Gebäudes. Am Sonntag (18.4.) segnete der Salzburger Erzbischof die nun hier untergebrachten neuen Wohnungen, Büros und Pfarrräumlichkeiten. Das vor 340 Jahren erbaute Kollegiatsstift Seekirchen prägt das Ortsbild der Stadtgemeinde.

Ein wenig lokale Geschichte: Auf den heiligen Rupert selbst soll der erste Kirchenbau der Pfarre Seekirchen – 696 – zurückgehen. Nach einem Kirchenbrand 1669 beschloss Erzbischof Max Gandolf von Kuenburg nicht nur den Wiederaufbau der Kirche, er gründete am 28. März 1679 auch das Kollegiatsstift, dessen Kapitel sich aus einem Dechanten und sechs Kanonikern zusammensetzte. Dazu kamen ein Stiftsökonom, ein Schulmeister, ein Kantor, ein Organist und vier Choralisten. Anstelle des alten Pfarrhofs wurde 1679 ein großer dreigeschoßiger Bau als gemeinsames Stiftsgebäude errichtet. Im Zuge der Turbulenzen nach den napoleonischen Kriegen wurde das Kollegiatsstift 1806 offiziell aufgehoben, aber 1832 auf Anordnung Kaiser Franz I. wiederhergestellt. Das „Insigne Collegiatsstift“, seit 1888 unter der Leitung eines Propstes, erhielt 1979 neue Statuten. Am 29. Juni 1996 wurde das Stift wieder errichtet und der seit 1989 als Pfarrer von Seekirchen tätige Franz Graber als 22. Propst eingesetzt. Nach seinem Tod im Jahr 2015 wurde die Position von Detlef Lenz, seit 1996 Mitglied im Stift und ehemaliger Stadtpfarrer von Zell am See und Salzburg Leopoldskron-Moos, übernommen.

Das Kapitel besteht derzeit aus dem Stiftspropst Detlef Lenz und sechs Kapitular- sowie drei Ehrenkanonikern. Mit dem gemeinsamen Leben ist es in Zeiten des Priestermangels natürlich nicht mehr weit her: Nur zwei der jetzt acht Wohnungen im Stiftsgebäude werden von priestern bewohnt. Propst, Kapitulare und Ehrenkanoniker tagen aber mindestens zweimal jährlich und widmen sich neben der Seelsorge der Förderung geistlicher und kirchlicher Berufe.

Das Kollegiatsstift Seekirchen, gegründet im Barock, ist eine eher junge Einrichtung. Die ältesten Kollegiatsstifte (Chorherrenstifte) entstanden schon im frühen Mittelalter. Das Zusammenleben dieser Priester-Kollegien war durch die Aachener Regel von 816 bestimmt, die den Kanonikern eine Teilhabe an den Stiftsgütern zusprach, Eigenbesitz erlaubte und das Gemeinschaftsleben (Vita communis) als Lebensform festlegte. Im Laufe des Hochmittelalters wurde an den Kollegiatsstiften das Gemeinschaftsgut in Einzelpfründen aufgeteilt und die Vita communis aufgelöst. So waren die Kollegiatsstifte vom 13. Jahrhundert an weitgehend autonome Korporationen mit ökonomischer Selbstverwaltung, deren Mitglieder durch verschiedene rechtliche Beziehungen an ihr Stift gebunden waren.

Bild: Erzdiözese / Pfarre Seekirchen / Schaidreiter