Lasst uns Salzburg zurückerobern

DOKUMENTATION / STADTVEREIN

24/08/18 Der Stadtverein Salzburg nennt die Stadt kurzerhand einen „Tourismusparcours“. Außer Frage stehe, dass der Tourismus zu den tragenden Säulen unserer Wirtschaft gehört, so Stadtvereins-Präsident Wolfhart Fally. Wenn aber keine Maßnahmen zu einer nachhaltigen Entwicklung gesetzt werden, drohe Ablehnung der Besuchermassen seitens der Bevölkerung. Eine Möglichkeit: das Altstadt-Marketing neu zu denken.

Die touristischen Nächtigungen in der Stadt Salzburg haben sich binnen 15 Jahren nahezu verdoppelt. Im Jahr 2017 hat die Nächtigungszahl die 3-Millionen-Marke übersprungen, das entspricht einer Steigerung von 7% gegenüber 2016. Umgerechnet bedeutet das 20,37 Gästenächtigungen pro Einwohner! Mit allen Tagestouristen – die Schätzungen rangieren zwischen 6 und 9 Millionen – also eine erhebliche, „in manchen Stadtteilen unzumutbare“, Belastung der Salzburger Bevölkerung heißt es in einer Aussendung des Stadtvereins heute Freitag (24.8.).

Die Verkehrssituation, Umweltbeeinträchtigungen wie Lärm und Müllaufkommen belasteten die Wohnsituation. „Der enorme Ausstoß von Treibhausgasen durch den zusätzlichen PKW-Verkehr und die 50 000 Reisebusse pro Jahr, die Bodenversiegelung durch Parkraumerrichtung, astronomisch steigende Mietpreise durch kurzfristige Vermietungen sind weitere Faktoren, die zur wachsenden Tourismusmüdigkeit und Tourismuskritik in der Öffentlichkeit beitragen“, warnt Wolfhart Fally. „Sichtbar werden diese Veränderungen vor allem in der Nutzung des öffentlichen Raums in der Altstadt, auf den sich die gesamte touristische Bewegung konzentriert.“ Der sozio-ökonomische Organismus der Innenstadt verändere sich im Verdrängen von Läden des täglichen Bedarfs und im Wandel der Lebens- und Begegnungsformen. Das soziale Zusammenleben in der Altstadt leide unter diesen Beeinträchtigungen, führe zu Abwanderungen der einheimischen Bevölkerung und zur „Disneyfizierung“ des architektonischen Erbes der historischen Altstadt, „die zusehend ihre Funktion als urbaner Lebensraum“ verliere.

„Im Lebensrhythmus der Bewohner von Salzburg ist dieser Wandel schon seit längerer Zeit beobachtbar. Zum Wohnen und guten Leben gehören auch eine entsprechende Infrastruktur, die funktionierende Nahversorgung, die Erreichbarkeit von Arbeitsplätzen in Fußläufigkeit oder zumindest mit öffentlichen Verkehrsmitteln. All dies sind Kritikpunkte, die ein politisches Handeln und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für städtisches Leben erforderliche machen. Stadtbewohner wie Wirtschaftsreibende in der Altstadt haben vielfach gefordert, den Touristenstrom zu regulieren, um damit vor allem auch die Lebensqualität für die lokale Bevölkerung zu erhöhen.“

Die oben genannten Kritikpunkte sollten in der Ausrichtung des Altstadtmarketings verstärkt Berücksichtigung finden, fordert der Stadtverein. „Die Salzburger Altstadt betrifft die gesamte Stadtbevölkerung und nicht alleine die Akteure im Innenstadtbereich.“ In diesem Sinn fordert der Stadtverein einen neuen Zugang in Bezug auf das Altstadtmarketing und empfiehhlt, Ideen des FORUM-MOBIL, der Initiative Architektur, der Initiative UM+Bau+Kultur, des Unesco-Lehrstuhls „Kulturelles Erbe und Tourismus“ (Kurt Luger) an der Universität Salzburg, des Naturschutzbundes und der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen. Vernetzung sei unumgänglich. „Die Wiedergewinnung und Rückeroberung der Altstadt durch die Bewohner von Salzburg muss das gemeinsame Ziel sein.“

Da der Tourismus in Salzburg zu den tragenden Säulen der Wirtschaft gehört, solle unbedingt verhindert werden, „das Wohlwollen der Bevölkerung gegenüber dem Tourismus zu verspielen“.

Konkrete Fragen des Stadtvereins:

- wie die Nutzung des öffentlichen Raums an die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen angepasst werden kann?
- weshalb Souvenirläden und Fast Food-Ketten, die nahezu ausschließlich auf den Massentourismus fokussiert sind, im Altstadtgebiet weiterhin wuchern und Läden des täglichen Bedarfs verdrängen dürfen?
- welche Ziele und Erkenntnisse in die Planung verschiedenster „Aktionen“ und „Veranstaltungen“ im Innenstadtbereich einfließen?
- weshalb Ein- und Ausstiegstellen im zentralen Innenstadtbereich für Reisebusse notwendig sind, die das Verkehrsaufkommen und Treibhausgase vervielfachen?
- ob eine „Bespielung“ der Altstadtgassen und Plätze mit Events/Festen den tatsächlichen Bedürfnissen der Bewohner/innen und Besucher/innen der Altstadt entspricht?
- ob für eine lebende Altstadt nicht auch ein geringeres Maß an Spektakel ausreichen würde und damit auch den öffentlichen Plätzen ihre ursprüngliche städtebauliche und ästhetische Funktion wieder vermehrt zugewiesen werden könnte?
- ob für die Gestaltung der öffentlichen Räume nicht konsumfreie Zonen mitzudenken wären, Bepflanzung und Möblierung (Stichwort fünfte Fassade) nach ästhetischen wie funktionalen Kriterien zu erfolgen hätte?
- wie die Mobilität in der Stadt signifikant verbessert werden kann, nach Dekaden des verkehrspolitischen Stillstandes, der die gegenwärtige Krisensituation teilweise mitverantwortlich ausgelöst hat?
- weshalb Wohnungen im Stadtgebiet „zweckentfremdet“ in Ferienwohnungen umgewandelt werden können bzw. folgenlos als Airbnb-Apartments sowohl der Hotelwirtschaft schaden dürfen als auch den Wohnungssuchenden vorenthalten werden?
- wie die Entwicklung gesteuert werden kann, damit Wohnungskosten nicht weiter steigen und für die Bevölkerung unbezahlbar werden?

 

(Stadtverein Salzburg/dpk)