Schulen könnten sogar ein bisserl schön sein

HINTERGRUND / SCHULARCHITEKTUR

30/10/17 „Schulmief“ - dieses Wort wird meist in übertragenem Sinn gebraucht. Sehr alte Leuten haben die Duftnote als typischer Geruch von Böden und trocknenden, sich zersetzenden Ölen in der Nase. Muss in Schulen – in architektonischer Hinsicht – Mief herrschen? Eine Herausforderung für Bauträger und Architekten.

Von Reinhard Kriechbaum

Schulbauten gehören eher selten zu den Trendsettern der Baukunst. Man muss nicht erst nach Rumänien oder Albanien zu fahren, um Mitleid zu bekommen mit den jungen Menschen, die jeden Tag viele Stunden in optisch wenig beflügelnden Räumen verbringen. Dabei gäbe es neue Anforderungen an den Schulbau. „Bildungsangebote verändern sich stark und damit auch die Erfordernisse an die Bildungsbauten“, weiß die Salzburger Architektin Ursula Spannberger. So sei etwa in Österreich das Angebot an Kindergartenplätzen stark ausgeweitet worden und auch jenes an schulischer Nachmittagsbetreuung. Das steigende und differenzierte Angebot erfordere auch neue Lösungen in Planung und Bau von Bildungsbauten.

In den kommenden Jahren werden in Europa voraussichtlich mehr als hundert Milliarden Euro für Schul- und Bildungsbauten ausgegeben. Allein in den deutschsprachigen Ländern rechnet man derzeit mit Investitionen von mehr als 67 Milliarden Euro bis 2030. Obwohl immer mehr Fachleute wahrnähmen, welche bedeutende Rolle der Raum in der Pädagogik einnimmt, werde dieses Thema im Architekturstudium immer noch viel zu wenig und viel zu unstrukturiertert bearbeitet, klagen Fachleute.

Deshalb wurde das länderübergreifende und interdisziplinierte Programm PULS ins Leben gerufen und sogar in den Rang eines Erasmus-Projekts gehoben. „Wir haben für unsere Absicht, dazu ein Fortbildungsprogramm anzubieten, ein EU-Forschungsprojekt mit der Summe von 500.000 Euro zugesagt bekommen, freut sich Ursula Spannberger. „Gleichzeitig ist auch unser erstes Buch erschienen.“

Zukunftsfähige Bildungsbauten des 21. Jahrhundert brauchen reale und digitale Lernräume, die auf robuste und einfache Weise flexibel sind und in denen die Pädagogik die Architektur mitgestaltet. Für eine solche Zusammenarbeit fehle den verantwortlichen Bauträgern bisher das Know-how, klagen nicht nur die Salzburger Architektin Ursula Spannberger und ihr Branchenkollege Franz Ryznar. Er ist Geschäftsführer von aap.architekten, einer Bürogemeinschaft für ökologisch und sozial nachhaltige Architektur, und Initiator der Plattform „schulUMbau“. Gemeinsam mit Ursula Spannberger hat er die „RAUM.WERTmethodik“ entwickelt. Ursula Spannberger und Franz Ryznar haben damit schon mehr als zwanzig Schulen in ganz Österreich begleitet.

Das Ziel des Erasmus-Programms PULS, jedenfalls ist eine nachhaltige, universitäre transdisziplinäre oder anwendungsorientierte Schulbau-Weiterbildung im deutschen Sprachraum. Am 11. Dezember geht es in Innsbruck mit einer Impulsveranstaltung los. Der Dialog ist dabei wohl das Entscheidende, weiß die auch als Mediatorin erfahrene Ursula Spannberger: „Erforschen der eigenen Bedürfnisse an Raum, mit den anderen verhandeln, Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen Raum und (Schul)Organisation verstehen und sie sich zunutze machen. Das sind für mich die beobachtbaren und überspringenden Freuden der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an partizipativen räumlichen Prozessen.“

Das Erasmus-Projekt PULS ist als multiprofessionelles Pilot-Projekt im gesamten deutschsprachigen Raum gedacht. Es bietet ein Aus- und Weiterbildungsprogramm. Zielgruppe sind Architektur-Fachleute, Verantwortliche für Gebäudemanagement, natürlich auch Masterstudierende der Studiengänge Architektur und Pädagogik. Der Universitätskurs mit abschließenden Zertifikaten soll zur Moderation, Begleitung und Beratung von schulischer Profil- und Lernraum-Entwicklungdienen, erklärt die Organisationsentwicklerin und Psychotherapeutin Rosa Strasser aus Wien.

Eine Internet-Plattform soll entstehen, und dort wird natürlich auch die Vernetzung groß geschrieben. Ein geplanter Schulbau-Atlas wird als interaktive Datenbank in einer Testversion aufgebaut. „Diese Datenbank wird Best-Practice-Beispiele als Ganzes und in besonderen Aspekten – zum Beispiel Ganztag – darstellen und vergleichbar machen“, so Ursula Spannberger, die dieses Teilprojekt verantwortet.

Die Publikation „Lernen und Raum entwickeln – Gemeinsam Schule gestalten“ wurde von Beate
Weyland und Josef Watschinger herausgegeben und ist im Verlag Klinkhardt erschienen – www.raumwert.cc; www.pulsnetz.org
Bild: Ursula Spannberger privat