Übersprudelnde Ideen für Kunst-Aktivismus
HINTERGRUND / PODIUM 2017
18/05/17 Was für ein hübsches Miteinander von Alt und Neu. „Das Buch der Schatten“ ist schon vor längerer Zeit entstanden, in der Schmiede 2014. Das Projekt ist offenbar weiterentwicklungsfähig, denn es ist eines von acht Vorhaben, die heuer im Rahmen des Förderprogramms „Podium“ des Landes unterstützt werden.
Von Reinhard Kriechbaum
Benjamin Hohnheiser und seine Kollegen Alessandro Maggioni, Mika Satomi und Daniel Huber, haben als Gemeinschaftsarbeit ein altmodisches Buch zum Auffalten gemacht. In Scherenschnitt-Technik entstehen plötzlich 3-D-Modelle. Man kennt so etwas von Kinderbüchern. Diese Papierskulpturen werden ganz analog mit einer Taschenlampe beleuchtet werden. Die Schatten wandern, die Sache gewinnt an Plastizität. Aber dahinter gibt es noch Projektionen, also eine Art virtueller Realität, die mit der Bastelarbeit vorne gemeinsam ins Bild kommt. Das hat Retro-Charme und ist doch irgendwie innovativ (der Filmemacher Virgil Widrich arbeitet in seinen Experimentalfilmen nach einem ähnlichem Prinzip).
Insgesamt gab es für „Podium 2017“ 101 Einreichungen, eine Fachjury wählte – einstimmig, wie es heißt – acht Projekte aus. Das „Buch der Schatten“ ist eines davon. Für die Förderschiene „Podium“ werden Projekte gesucht, die erstmals in Salzburg realisiert werden. Dass mit diesen Projekten neue Räume für Kunst erschlossen werden und die Künstler spartenübergreifend arbeiten, ist sehr erwünscht.
Mit einer „Daihatsu Rooftop Gallery“ will Peter Fritzenwallner durch Stadt und Land gondeln: eigene Kunstwerke und solche von Kolleginnen und Kollegen auf dem Dach eines Autos... Das Kollektiv „Baer“ will mit „Mobilen Litfaß-Buden“ Salzburg erobern, das sind „vier mit Rädern versehene Zylinder, die von ihrem Volumen groß genug sind, um einerseits als mobile Schaubühnen zu fungieren, andererseits als klassische Litfaßsäule verwendet werden können.“ Kunst als Intervention im öffentlichen Raum jedenfalls. Die Galerie 5020 ist Partner.
Das Wort „Guerilla“ verwendet man neuerdings für ungewöhnliche Aktionen im öffentlichen Raum, Stichwort Guerilla Gardening. Nicht um Grünzeug, sondern um Tanz geht es der Künstlergruppe „Emmer“, die in dem Zusammenhang von „aufsuchender Kulturarbeit“ spricht. „In einem Workshop werden „Aktionskarten“ mit Handlungsanweisungen für den performativen Gebrauch des öffentlichen Raums erarbeitet und erprobt.“ Kurzum: Man will sich durch die Gegend tanzen und so Aufmerksamkeit finden, aber das ist in der Projektbeschreibung deutlich intellektueller formuliert.
Die Salzburger Künstlergruppe „gold extra“ ist mit „Stranger Home“ dabei. Das soll eine Spiele-App werden, bei der man nicht nach Pokemons Jagd macht, sondern nach Dingen, die vielleicht die Heimat ausmachen, oder auch nicht. Die Frage: „Wie sehr zu Hause ist eigentlich zu Hause?“ Erfahrungen zum Fremdsein in der eigenen Stadt sollen nicht nur im real physischen, sondern auch im virtuellen Raum generiert werden.
Die Vorhaben sind bunt gemischt. Den meisten Künstlerinnehn und Künstlern geht es doch eher um ernste Anliegen, sogar Anatol Bogendorfer mit „Fake Noise / Make the weather great again“, das titelmäßig g'spaßig daherkommt. Er will das drängende und aktuelle Problem der „alternativen Fakten“ mit einem innovativen künstlerischen Ansatz aufzugreifen und anschaulich machen.
„77 Cent“ nennen Susanne Lipinski, Caroline Mercedes Hochfelner, Karin Gschiel ein Projekt. Der Titel spielt darauf an, dass Frauen in Österreich nach wie vor nur rund drei Viertel von dem verdienen, was Männer für die gleiche Arbeit erhalten – in Zahlen ausgedrückt: 77 Cent statt 1 Euro. Aus ihren recherchen zum Thema wollen die Aktionskünstlerinnen ein „Karriere-Coaching-Seminar“ in sieben Modulen entstehen. Aus der Beschreibung des Geplanten: „Das hochaktuelle und reflektierte feministische ‚Lehrstück’ verspricht eine charmante Mixtur aus Theater und Seminar, Fake und Fakten, Analogem und Digitalem, Tiefgang und Humor zu werden – mit Privatpersonen und Kunstfiguren auf der Bühne. Und dies nicht nur in Kultureinrichtungen, sondern auch an unkonventionellen Nicht-Kunst-Orten.“
Preisträger sind auch Martin Löcker und Didi Neidhart mit einem potentiellen Symposium „Die Schönheit des Unbestimmten“, einem künftigen Festival an der Schnittstelle von Elektronischer Musik, Performance und Aktivismus.
Der Projekttopf war mit 100.000 Euro dotiert. „Die Kunstförderung 'Podium' zielt darauf ab, innovative Ideen und unkonventionelle Projekte zu ermöglichen sowie Kunst und Kultur der jüngeren Generation vorzustellen“, so Kultur-Landesrat Heinrich Schellhorn. Die Jury bestand aus Anita Moser (Universität Salzburg, Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst), Manuela Naveau (Kuratorin, ars electronica) und Heinz Kaiser (Kulturverein Schloss Goldegg).
Die Beschreibungen der acht Projekte
Bild: Filmstill "Buch der Schatten"