Positive Stimmen

DOKUMENTATION / MEINUNGEN ZUR KULTURHAUPTSTADT

17/11/16 Der Kurzfilm „Salzburg Kulturhauptstadt 2024“ hätte die Abschlussarbeit eines Videoseminars werden sollen, erzählt der Journalist, Filmemacher, Kommunikationsberater Michael J. Mayr. Da erst sei ihm bewusst geworden, „welch starke Marke die EU-Kulturhauptstadt längst ist.“

„Wen wir beim Drehen auf der Straße gefragt haben – jeder hatte sofort ein Beispiel, eine Assoziation im Kopf“, sagt Mayr. Touristen seien erstaunt gewesen, dass Salzburg den Titel noch nicht hat. Eine Teilnahme an dem offenkundig erfolgreichsten und bekanntesten Kulturprogramm Europas würde Salzburg grade auch dank seines künstlerischen Weltruf-Programms mit dreimal Festspiele im Jahr besonders anstehen. „Auf jeden Fall besser als die Olympia-Idee, es wäre auch viel weniger aufwändig, weil schon so viel da ist“, sagt Mayr. Der analog zum „Glasgow-, Liverpool oder Linz-Effekt“ von einem „Salzburg-Effekt“ träumt.

In einem Pressegespräch zur Option, Salzburg als Kulturhauptstadt 2024 zu positionieren, hat der Dachverband Salzburger Kulturstätten heute Donnerstag (17.11.) einige Fürsprecher zu Wort kommen lassen. So beispielsweise argumentiert Ursula Maier-Rabler vom Center for Information and Communication Technologies & Society an der Universität Salzburg: Es gehe „um die gesellschaftliche Nachhaltigkeit von Kultur – im breitesten Sinne“. Längerfristige positive Auswirkung kultureller Initiativen könne auch als fördernd für ein gedeihliches gesellschaftliches Miteinander in Städten und Regionen verstanden werden. Eine „Herstellung einer gerechteren Gesellschaft durch kulturelle Aktionen“? Nicht erst seit dem Wahlsieg eines Donald Trump ihn den USA, bereits durch BREXIT und dem Bedeutungsgewinn rechtspopulistischer Positionen in Europa, werde das Thema „Gerechtigkeit“ zu dem zentralen gesellschaftlichen Anliegen der nächsten Jahre, vermutet Maier-Rabler .

„Auch wenn wir uns hier in Mitteleuropa im globalen Vergleich noch als Privilegierte hinsichtlich Wohlstands- und Chancenverteilung betrachten können, so gibt es auch in unserer Gesellschaft einen unterschätzen Anteil an Menschen, die sich ungerecht behandelt fühlen. Die in Migration und Flüchtlingsbewegung eine weitere Schmälerung ihrer Daseinschancen sehen, die im Vergleich mit ihrer Eltern- oder Großelterngeneration reale Einkommensverluste erleiden und deren Kinder es einmal nicht besser haben werden. Gleichzeitig sehen diese Menschen, wie ein kleiner Teil der Gesellschaft, die sogenannten 'Eliten', unverhältnismäßig viel vom Kuchen abbekommt. Durch Berichte über Managerboni, Sportlergehälter oder Hollywood Gagen, aber auch ganz schlicht durch Immobilienpreise in der eigenen Stadt,  sieht man sich sowieso nicht mehr als Teil des als Realität wahrgenommenen guten Lebens.“ Da müsse die Kultur entgegen wirken. Salzburg als Kulturhauptstadt müsste es zum Ziel haben, „durch kulturelle, also kreative, zivilgesellschaftliche und künstlerische Projekte zur Entstehung einer partizipationen Gesellschaft beizutragen“, sagt Ursula Maier-Rabler.

In dieselbe Kerbe schlägt die Salzburger Lifestyle-Bloggerin Carolina Hubelnig (www.guteguete.at). Sie sieht die „als eine große Chance, das gesellschaftliche Zusammenleben in Salzburg im Sinne eines übergreifenden Kulturbegriffs zu evaluieren und neu zu denken“. Die Verankerung junger Kultur in der Stadt, ihre Ressourcen, ihre Perspektiven, Orte, Infrastruktur und Akteure sowie ihre Rolle inmitten von Begriffen wie Weltkulturerbe, Hochkultur und Tourismus seien lohnenswerte Ansatzpunkte.

Karl Zechenter, der Vorsitzende des Dachverbands Salzburger Kulturstätten: „Es ist wichtig Kulturhauptstadt und Weltkulturerbe auseinanderzuhalten: Das Weltkulturerbe, das die barocke Innenstadt auszeichnet, konserviert die baulichen Leistungen der Vergangenheit. Wer Kultur nur auf unsere Vergangenheit beschränken will, wer nur die touristische Vermarktung im Auge hat, schädigt damit die Kultur, die erhalten werden soll – und schädigt damit auch die Lebensqualität künftiger Generationen.“ Die Kulturhauptstadt sei „ein Fest der Kulturen, ein Fest der Gegenwart und der Zukunft“. Salzburg brauche die Kulturhauptstadt nicht „um neue Kulturhäuser und Museen zu bauen“, sondern „um mit Hilfe der Kultur über das Zusammenleben in der Stadt und der Region nachzudenken und die vielen verschiedenen Kulturen, die es in Salzburg gibt, miteinander bekannt zu machen und zu verbinden“.

Kulturhauptstadt-Veranstaltungen böten „eine einmalige Gelegenheit gerade auch für die zeitgenössische Kunst, die Künstlerinnen und Künstler, und die Kulturschaffenden ihre Produktionen international sichtbar zu präsentieren“ und so zu zeigen, dass „hier auch international interessante Kunst produziert wird und nicht nur für zwei Monate im Sommer importiert“ werde.

Literaturhausleiter Tomas Friedmann ist vom Dachverband zum Kulturhauptstadt-Beauftragten bestimmt worden. Er beklagt, dass Salzburg in den vergangenen Jahrzehnten eine lebendige Gegenwartskunst(szene) entwickelt habe, „dennoch wandern junge Kreative und KünstlerInnen zum Teil ab, weil sie vorhandene Räume oft als zu 'eng' empfinden, anderswo bessere Produktionsbedingungen erwarten“. Es geht um mehr als Kunst. Eine Kulturhauptstadt-Bewerbung böte die Chance, „soziokulturelle Strukturen sowie die Entwicklung von Stadt und Land, Architektur und Wohnbau, Verkehr und Tourismus, Ökologie und Forschung, Jugend, Kunst und (Volks)Kulturen kritisch zu hinterfragen und weiter zu entwickeln“. Es gehe also um einen „Sound of Future“, um ein vernetztes Denken und Handeln, um die kommenden Jahrzehnte lebenswerter zu gestalten, um Menschen Räume der Begegnung zu ermöglichen. Nicht Hardware, sondern eine neue Software des Zusammenlebens sei gefragt. (Dachverband Salzburger Kulturstätten)

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