Vom Mehl zur Kohle

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

04/05/15 Jeder hat seine Lieblingsgebäude. Und seine Erinnerungen. Einer meiner Favoriten ist die kleine Lok-Remise bei der Rauchmühle in Lehen, unmittelbar am Mühlbach am Gailenbachweg. Immerhin bis 2006 war auf dem einen Gleis dorthin tatsächlich noch eine Diesellok unterwegs...

Jetzt hängt ein Vorhängschloss an den hölzernen Türflügeln. Moos wächst auf den Dachziegeln und überhaupt ist der Grund dort großflächig mit Buschwerk bedeckt. Man versteht gut angesichts der Dimensionen des Grundes, dass man dort von Weiß auf Schwarz gswitcht hat: Seit nicht mehr Mehl produziert wird, ist Kohle das Thema. Das Areal wäre, ertragsmäßig hochgerechnet, schier eine Goldmiene fürs Immobiliengewerbe. Das weiß man in der Stadt, und das wissen jene, die das Bauen dort auf ihre Firmen-Agenda geschrieben haben.

Ein kleiner Schönheitsfehler auf der imaginären Ertragsliste der Bauherren: Ganz leer ist das Riesengrundstück nicht. Eine Cecconi-Villa steht dort, die ist unter Denkmalschutz. Na gut, damit könnte man leben. Hinsichtlich der anderen Bauwerke müssten sich die Denkmalschützer beeilen, denn die Spitzhacken könnten schon Ende Juni angesetzt werden. Mit der bauhistorischen Expertise einer ausgewiesenen Kunsthistorikerin hat man keine Freude. Die möchte man umschiffen, so gut es geht. Alte Substanz aushöhlen ist noch das Beste, was passieren kann – so wie es derzeit aussieht.

Mit dem Fahrrad ein Mal ums Areal: Was für Optionen täten sich da auf, wie sehr spricht die Geschichte. Da ist also der ganze Mühlenkomplex – Zeuge einer Zeit, als die Industrialisierung übers bäuerliche und kleingewerbliche Vorstadt-Salzburg hereinbrach. Ein paar Schritte weiter das Barock-Schlösschen, das jetzt Hörbehinderten als Schule dient. Einem anderen Gebäude, in dem früher sehbehinderte Menschen wohnten, wird demnächst die Stunde schlagen. Ein paar historistische Villen gibt es daneben, und am Gailenbach ein paar alte Bauerngüter. Und quasi auch gleich ums Eck, an der Rudolf-Biebl-Straße, ein tollkühnes Konglomerat aus Nazi-Architektur und Plattenbeton der Sechziger- und Siebzigerjahre. Ein „Grätzl“, das Geschichte in sich trägt.

Da sollte man wohl jede Baumaßnahme drei Mal überlegen. Die Gegend verdiente es, dass man die besten Köpfe zusammenholt, um ein urbanes Zentrum zu formen. Eben ein solches mit lebendiger Geschichte und Lebensqualität. Da gehören Denk- und Diskussionsansätze her, die sich nicht im Anlegen von Tiefgaragen unter Wohnhäusern und in der Diskussion um deren Höhe erschöpfen dürfen.

Spontane Idee, aus dem Bauch heraus: Lehen ist bekanntlich die „zweitgrößte Stadt“ im Bundesland, wenn man den Stadtteil für sich nimmt. Warum denkt man eigentlich immer noch übers imaginäre „Spaßbad“ im Kurpark nach? Dort ist Stadtmitte, dort gehörten Wohnungen hin! Warum nicht das Bad, unter Einbeziehung der historischen Gebäude der Rauchmühle, in Lehen einrichten, wo so viele Menschen leben? Grün ist es dort. Nachbarn gibt es wenige. Trotzdem wäre der Grund Von allen Seiten mit Bus und S-Bahn bestens erschlossen. Sogar den alten Mühlbach könnte sinnvoll integrieren. Und der charmante Lokschuppen (er soll von 1922 stammen) könnte vielleicht auch stehen bleiben.

Bilder: dpk-krie
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