Von Türkentum und Fronleichnam

 

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

18/06/14 Dieser Tage erst ein Thema in den Medien: Warum kann man eigentlich zur Matura nicht Türkisch als Fremdsprache wählen? Jetzt kommt der türkische Premierminister Erdogan, schwingt höchstwahrscheinlich in Wien nationalistisch, vielleicht gar islamistisch angehauchte Reden – und alle fürchten sich. Und sind entrüstet über eine Imam-Schule.

114.740 Türken – also: türkische Staatsbürger – sind bei der Statistik Austria „aktenkundig“. Nimmt man jene türkischstämmigen Menschen dazu, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, und gar noch Menschen mit türkischem Migrationshintergrund in der zweiten Generation, kommt man logischerweise auf viel höhere Zahlen, auf 300.000 Menschen und mehr. Wir reden also nicht von irgendeiner Kleingruppe im Lande, sondern von der größten gleich nach den EU-Dauergästen (aus allen EU-Ländern zusammen!).

Sie also dürfen, wiewohl mehr oder weniger „native speakers“, nicht in ihrer Muttersprache maturieren. Es ginge natürlich um Türkisch als Sprachenfach, nicht um die ganze Matura in türkischer Sprache. Das fällt bei der von rechter Seite geschürten Schein-Entrüstung oft unter den Tisch. Die abendländische Bildungs-Kultur wäre keineswegs in Gefahr...

Und wie ist das mit der Imam-Schule, die in Wien-Simmering eingerichtet werden soll? Ja freilich, das wäre eine Initiative von türkischer Seite. Es wäre eine Privatschule. Und weil dort in türkischer Sprache gelehrt würde, hätte Österreich wenig Kontrolle darüber, wes Geistes Kinder dort ein- und ausgehen. Sebastian Kurz, der für Integration zuständige Vorzeige-Minister, ist da total dagegen.

Sebastian Kurz ist noch sehr jung, und er ist sehr jung im Amt. Ihm kann man keinen Vorwurf machen. Seit einem halben Jahrhundert sind Türken ein Thema in Österreich. Als Gastarbeiter, als Arbeitsmigranten. Längst könnten Türkisch als Maturafach und längst auch eine Imam-Ausbildung an unseren Universitäten eingerichtet sein – wenn man nicht alles auf die lange Bank schieben würde, wenn hierzulande bei Immigrationsthemen nicht so oft das Einrichten von Arbeitsgruppen reale politische Arbeit ersetzte. Tayyip Erdogan findet ein ganz wunderbar vernachlässigtes Feld vor in Österreich. Da braucht er nur ein wenig zu pflügen, zu eggen und es ein wenig regnen zu lassen – es wird an Ernte nicht fehlen.

Übrigens: Pikant, pikant, dass Erdogan gerade zu Fronleichnam kommt, an einem der traditionell extrem öffentlich zelebrierten Feste unserer katholischen Leitkultur. Wir wollen Erdogan nichts unterstellen: Natürlich kommt er nicht, um abendländische Christenmenschen zu provozieren. Die haben auch längst nicht mehr eine Beziehung zu ihrer Religion, dass ein solcher Weg nahe läge. Erdogan kommt, weil seine in Österreich lebenden Landsleute zu dem Termin ebenfalls einen Feiertag genießen und damit Zeit haben, seiner Stimme zu lauschen.

Zur Hintergrund-Geschichte So etwas wie der 1. Mai der Kirche