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In der Zeitschleife gefangen

GASTKOMMENTAR

Von Karl Zechenter

06/11/12 Salzburg ist klein und in der Kulturszene kennt sich wirklich jeder. Statistisch gesehen kommen jedes Jahr drei Neue dazu, von denen nach zweieinhalb Jahren 2,5 nach Wien abwandern. Trotzdem gibt es wenige Leute, so wie mich, die gerade in keinem Vorstand und Beirat sitzen und das herbstliche Schauspiel rund um die Budgeterstellung von außen betrachten dürfen. Der Visionskochtopf kocht fröhlich über: Deswegen ging jüngst der Landeskulturbeirat (LKB) in Klausur und legte der Dachverband der Salzburger Kulturstätten (DV) elf Thesen vor.

Die elf Punkte zur Reform der Landespolitik des DV erschrecken mich beim ersten Lesen. Denn sie zeigen vor allem, dass sich einfach nichts bewegt. Wenn man diese Thesen mit früheren Aussendungen, Gesprächen vergleicht, wird man feststellen, dass man die Pressekonferenz auch mit zehn Jahre alten Texten bestreiten könnte. Und ich bin auch zusammengezuckt, wie ansatzlos ich selbst – eigenverschuldet – ohne Teil der monatelangen internen Diskussion zu sein, die Klassiker Erhöhung, Reorganisation, Kulturhäuser in den Bezirken und Transparenz und Beteiligung in der Medienförderung runterbeten kann – und das ohne ein wettergegerbter Veteran des Salzburger Kulturkampfes zu sein. Am meisten überrascht mich aber, dass das alles ist, wo Salzburger Kulturstätten und KünstlerInnen der Schuh drücken soll. Nothing ever happens, nothing happens at all. The needle returns to the start of the song. And we all sing along like before?

Offensichtlich ist der hier kritisierten Landespolitik die eigene Sprachlosigkeit auch selbst schon suspekt. Deswegen hat sie kurzerhand mit der „Yellow Lounge“ eine eigene Kulturschiene gegründet. Höchste Zeit, dass jetzt mal die Profis die zeitgenössische Kultur in die Hand nehmen, um den Linzer Weltstar Parov Stelar einzuladen. Will man hier statt Veränderungen anzugehen den anderen lieber mal zeigen wie's geht?

Aber das können DV und LKB leicht kontern: Wie wir aus den Positionen des DV erfahren, sollen beide in Zukunft bei Förderungen über 10.000 Euro selbst Behörde werden. In Salzburg sitzen ohnehin schon die immer gleichen Leute in den immer gleichen Jurys. Das könnte dann ja auch gleich institutionalisiert werden: In Zukunft machen Kulturschaffende dann einfach bei Land, Stadt und einer Kulturstätte ihrer Wahl einen Termin, um eine Förderung zu bekommen.

Das führt uns direkt zu der verständlichen Forderung nach mittelfristiger Finanzierung, nach dem Modell der Stadt Salzburg. Da es hier auch um Summen über 10.000 Euro geht: Werden die dann auch durch Jury vergeben? Das ist wohl nicht Sinn der Sache. Viel eher erleben wir hier die Auseinanderentwicklung von Arm und Reich in der Salzburger Kunstszene hautnah. Während für kleinere Initiativen und EinzelkünstlerInnen der Einreichaufwand beträchtlich durch Juryprozesse steigt, können größere Institutionen ihre Förderverwaltung in Dreijahresrhythmen gestalten. Ist es das, was KünstlerInnen wollen?

Ich glaube hier wird das Pferd von hinten aufgezäumt: Viele KünstlerInnen finanzieren ihre Arbeit über drei oder vier Projekte bzw. Ansuchen im Jahr und sind nicht in Jahresförderungen, wobei diese rechtlich auch nichts anderes sind als Sammelprojektförderungen – das heißt, wer jetzt in Jahresförderung ist, kann sich leicht wieder in Projektförderung finden. Diesen KünstlerInnen erwächst ein enormer Mehraufwand durch diese Forderung. Und zwar genau jenen, die ohnehin mit jeder Einreichung auf dem Prüfstand stehen und die Buchhaltung irgendwann nächtens miterledigen. Das heißt mit Kanonen auf Spatzen schießen. Wäre es nicht viel eher sinnvoll, die verschiedenen Kulturstätten, dort wo es möglich ist, als Häuser zu begreifen, die in fünf- oder zehnjährigem Modus neu ausgeschrieben und konzeptionell vergeben werden? Wäre nicht hier der Gestaltungsspielraum gegeben, den man sich wünscht?

Die Forderung nach der Abschaffung des LKB zeugt von einem Missverständnis über Sinn und Möglichkeiten des Beirats – und die Reaktionen darauf ist vom gleichen Missverständnis geprägt. Der Landeskulturbeirat sorgt vor allem für Austausch. Das ist bereits sehr viel. Die Salzburger Kulturszene ist klein, aber nicht jeder und jede EinzelkämpferIn hat immer Zeit sich zu treffen, das können sie im LKB. Beamte haben die Möglichkeit, in Fachbeiräten über neue Ideen zu sprechen, und zuweilen dringen aus diesen Diskussionen auch Ideen durch. Der LKB vereint in seiner breiten Besetzung alle Widersprüche der Salzburger Kultur zwischen Tradition, Universität, moderner Kunst und Repräsentationskultur. Es ist gut, die alle an einen Tisch zu bekommen.

Aus dem LKB eine Ersatzkulturregierung zu machen, verlagert einfach budgetäre Verteilungskämpfe auf andere Ebenen. Die wesentliche Frage für die Reform des LKB ist der Zeitpunkt, zu dem die Politik sich die Vorschläge anhört. Nämlich vor der Budgeterstellung. Ich kann mir gut vorstellen, den LKB beraten zu lassen, Ideen auszutauschen und auch ExpertInnen von nah und fern zu befragen.  Jeweils vor dem Sommer gibt es eine Runde, wo sich der verantwortliche Landesregierungspolitiker diese Thesen anhört, gerne auch öffentlich. Jetzt wird, wenn überhaupt, über ein fertiges Budget beraten und kommentiert – das ist klarerweise frustrierend. Die derzeitige Lage fordert geradezu heraus, die gefühlte Machtlosigkeit durch umso raumgreifendere Visionen zu kompensieren. Aber hier kann die große Leistung des LKB liegen, nämlich nicht Fernziele zu formulieren, sondern konkrete Verbesserungen für die jeweils unmittelbar folgenden Jahre vorzuschlagen und zum richtigen Zeitpunkt einzubringen. Im Herbst darf man dann ruhig öffentlich rezensieren, was aus den Ideen wird.

Und weil wir schon bei konkreten Vorstellungen sind, ein paar Anregungen von der Seite der Kulturschaffenden: Was Künstlerinnen und Künstler in Salzburg brauchen, sind zeitgemäße Unterstützungen bei Werkstätten und Atelierräumen, im Rahmen von performativen Künsten auch vermehrt Zugang zu Proberäumen. Hier könnten Land und Stadt einiges bewegen. Zudem wäre es wichtig, Salzburger KünstlerInnen die Möglichkeit zu bieten, in technisch modern ausgestatteten Räumen aufzutreten, in Stadt wie in Land Salzburg. Der Bedarf ist groß, die Chancen gering.

Was im Papier des DV schmerzlich fehlt, sind Ideen und Konzepte zu zeitgemäßen Förderangeboten. Die gegenwärtigen Möglichkeiten sollten erweitert werden, z.B. durch eine Konzeptförderung, die auf zwei oder drei Jahre angelegt größere abgeschlossene Projekte ermöglicht. Oder durch eine Partnerförderung, die Projekte von Institutionen mit freien KunstlerInnen fördert.

Nicht zuletzt wären mittelfristige Zielvereinbarungsförderungen wünschenswert. Sie sollten allen Gruppierungen offen stehen und gäben auch KünstlerInnen, die länger an Projekten arbeiten, die Möglichkeit, das zu tun. Das klingt alles selbstverständlich, aber es gibt noch nichts davon. Keine dieser Ideen ist eine utopische Vision, sie alle werden schon in anderen Kommunen erprobt, Erfahrungswerte liegen vor.

Diese Erneuerungen wären allesamt nicht schwer zu erreichen und würden vielleicht mehr helfen als die interne Reorganisation der Landeskulturpolitik. Vielleicht wird es ja was bis zum nächsten Herbst. Oder auch ich kann dann diesen Text im nächsten Jahr unverändert wieder veröffentlichen.

Karl Zechenter hat viele Jahre die ARGEkultur geleitet. Er ist Mitglied des Künstler-Kollektivs „gold extra“, das heuer den Landespreis für Medienkunst und den Outstanding Artist Award in der Kategorie interdisziplinäre Kunst (BMUKK) erhalten hat.
Zum Kommentar Der Thesenanschlag
Zur Meldung Eine Liste zum Anstupsen
Zum Wortlaut Elf Punkte zur Reform der Landeskulturpolitik

 

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