Oh wie schön und vertraut

KOMMENTAR

altVon Reinhard Kriechbaum

04/10/12 Es sträuben sich einem nicht selten die Haare, wenn man durch Tourismusorte wie Flachau oder Saalfelden, St. Johann oder Saalbach marschiert. Der Eindruck: Eine Architektur-Imagekampagne wäre wohl schon vor Jahrzehnten nötig gewesen im Land. Was einem in Hotel- und Gastronomiebetrieben an Kitsch und Dekor-Krempel innen und außen begegnet, geht auf keine Kuhhaut. Ja, es übersteigt die Zahl potentieller Kuhhäute im Land bei weitem. Immerhin gibt es 12.000 Tourismusbetriebe im Land. Wie hoch mag der Prozentsatz jener sein, die ernsthaft bei Architekten arbeiten haben lassen? Und wie oft mag sich der schlechte Geschmack der Bauherren gegen die Fachleute durchgesetzt haben?

Das Schlosshotel Lacknerhof in Flachau mit seinen Türkis-Balkonen und knallroten Pyramidendach-Türmchen hat, im Vergleich mit dem ganz normalen Alltags-Wahnsinn, vielleicht schon wieder Witz.

Beinah rührend die Ergebnisse der Gästebefragung der SLT in dieser Sache. Eine glückseligere Kundschaft wie die Salzburg-Urlauber ist kaum vorstellbar. Mehrheitlich wurden als architektonische Wohlfühl-Punkte „landschaftlich angepasst”, „alpin traditionell”, “vertraut” oder „dem Ortsbild angepasst” genannt. „Traditionell, authentisch, gut erhalten, historisch, rustikal, gemütlich, urig, niedlich/klein, anders als Zuhause, vertraut, natürliche Materialien oder kaum moderne Bausünden sind Gründe, warum Gebäude als schön gesehen werden“, heißt es in der Zusammenfassung der Studie.

Stolze achtzig Prozent der Gäste im Land sind hoch zufrieden mit dem als „typisch“ eingestuften Erscheinungsbild unserer Tourismusorte. Damit drängt sich ein böser Verdacht auf: Lagerhaus, Baumaxx und ähnliche wohlsortierte Fachmärkte lenken ganz entscheidend nicht nur das Erscheinungsbild der Ortschaften, sondern auch die Erwartungshaltung der Gäste. Das hemdsärmelige Hantieren mit vorgefertigten Deko-Elementen (man sehe nur Zäune und Balkongeländer an!) ist längst stil- und geschmacksbildend.

Eigentlich sollte man die großen Bau-Fachmarkt-Ketten eilends dekorieren mit Tourismus-Preisen. Sie sorgen für grandioses Wohlbefinden im Land.

Zum Bericht „Wohlfühlfaktor“ Baukunst?