Etappenerfolg – oder Armutszeugnis?

GASTKOMMENTAR

Von Barbara Wolf-Wicha

21/10/11 Es ist ein positives Signal, dass nur wenige Tage nach der Veröffentlichung der Budgetwirklichkeit ein Gespräch zwischen dem Kultur-Ressortchef mit Vertretern des Dachverbands der Kulturstätten zustande kam. Und es ist zu wünschen, dass es derartige Gespräche gleich nach der Konstituierung des „neuen“ Landes-Kulturbeirats geben wird.

Ob man tatsächlich von einem „Etappenerfolg“ sprechen kann, ist zu bezweifeln (das vom Sport entlehnte Bild gilt wohl eher für ihn!).

Es ist ein Armutszeugnis der Kulturpolitik, dass es nicht gelungen ist, in allen Bezirken ein Kulturhaus zu errichten (der Tod des KUBUS 1024 im Lungau ist beschämend für eine Gemeinde-Kulturpolitik!).

Es ist ein Armutszeugnis der Kulturpolitik, dass es nicht gelungen ist, in den Gemeinden flächendeckend und bei Bezirkskonferenzen das Thema des Werts der zeitgenössischen Kunst auf die Tagesordnung zu setzen – und zwar nicht nur im Hinblick auf den touristischen Standortvorteil für Gemeinden!

Es ist ein Armutszeugnis der Kulturpolitik ganz allgemein, dass Stunden in der musischen Erziehung in den Schulen weiterhin gekürzt werden und Proteste ausbleiben (die Metaller haben mehr Lobby als Kulturschaffende!)

Ein Etappenerfolg für Institutionen mit „mehrjährigen Fördervereinbarungen“ mag sein, dass sie keine Kürzungen zu befürchten haben. Aber für die Nicht-Abonnenten und einzelne KünstlerInnen ist schon beim Start unklar, bei wem die fehlenden 70.000 Euro eingespart werden.

Als Etappenerfolg, wenngleich mit Einschränkungen, ist die Neuaufstellung des LKB-Projekts „Wahre Landschaft“ zu werten. Ob neue Vorhaben und Projekte (etwa für unsere so erfolgreichen Filmer) auf der Strecke bleiben, darf vermutet werden.

Ein für eineinhalb Jahre konzipiertes Projekt des LKB (Arbeitsauftrag des Ressortchefs) liegt seit Juli auf dem Tisch aller vier mit Kultur befassten PolitikerInnen: „Kultur spricht alle Sprachen“. Ziel ist, den Beitrag der Kultur zur Festigung der Demokratie und zum Zusammenleben von Neo-ÖsterreicherInnen (woher auch immer) und ÖsterreicherInnen sichtbar zu machen. Alle Betroffenen sind zur Mitwirkung eingeladen, und zwar in allen Sprachen: wörtlich und in den „Sprachen“ der Musik, bildender Kunst, Literatur und Schauspiel, Foto, Film etc. Das Projekt sollte nach knapp siebenmonatiger Vorbereitung über ein Jahr lang laufen und seinen Abschluss in einer gemeinsamen Präsentation finden. Eine gemeinsame Planung mit dem Referat Migration wurde vorgeschlagen. Es gab dazu ein sehr gutes Gespräch mit LHStv. David Brenner – aber keinerlei Reaktion von den anderen PolitikerInnen. Der Termin für den Start der Vorbereitungsphase steht noch aus.

Meine Abschiedswünsche als scheidende Vorsitzende des LKB:

  1. Dass sich die Öffentlichkeit (Medien!) für die Bilanzen des aktuellen und künftig des neuen Landeskulturbeirats gemeinsam mit ihrem Ressortchef interessiert, was von den zahlreichen Vorschlägen und Anregungen des LKB und der Fachbeiräte umgesetzt wurde. Das ist übrigens jährliche und beispielgebende Praxis in Oberösterreich - allerdings liegt dort das Kulturressort zu hundert Prozent in einer Hand.
  2. Dass sich der neue Landes-Kulturbeirat als unabhängiges und kritisches ExpertInnengremium nach eigenen Spielregeln konstituiert, unterstützt (und weder gegängelt noch konterkariert) von der Kulturverwaltung.
  3. Dass der LKB auch weiterhin Transparenz der Mittelvergabe und der Jury-Zusammensetzungen sowie Transparenz und Logik bei der (besser VOR der) Budgeterstellung einfordert.
  4. Wenn immer wieder die Umstrukturierung der Förderlandschaft verlangt wurde, setzt dies die Offenlegung voraus, um wie viel Geld von Betrieben, privaten Einrichtungen und Einzelpersonen (nach Geschlechtern aufgegliedert) in einem Berichtsjahr überhaupt angesucht wurde. Erst die tatsächliche Förderquote sagt etwas darüber aus, inwieweit eine Förderstelle ihre Ziele erreicht und wie hoch der Anteil der Privaten an der Förderung ist. Das wäre ein Indiz für die Achtung vor der kulturellen Vielfalt und dem Selbstbestimmungsrecht der Künstler/innen und Kulturschaffenden.
  5. Dass die Kulturpolitik (in Salzburg auf vier PolitikerInnen verteilt) zu den Anregungen des LKB, die sie über die Protokolle bekommen, Stellung nimmt.
  6. Und dass es eine klare Aus- und Zusage dieser PolitikerInnen gibt, ob sie ein ehrenamtliches Beratungsorgan wie den LKB und seine Expertise tatsächlich wollen und ihn mehr als bisher in kulturrelevante Entscheidungen einbinden.

Genau das ist die wesentliche Motivation für ExpertInnen, sich für dieses Gremium ehrenamtlich über vier Jahre zur Verfügung zu stellen. Ihr anfänglicher Schwung schwindet rasch, wenn der Eindruck entsteht, dass der LKB nur als Alibi für die Aufrechterhaltung des Scheins von „Demokratie in der Kultur“ angesehen wird. Denn dann sollte man ihn besser abschaffen und die Kompetenz dieser engagierten ExpertInnen in einer neuen, komplett unabhängigen  Form bündeln oder sie – entsprechend ihrer Verankerung in Kulturinitiativen - in den Dachverband der Kulturstätten integrieren!

Die Salzburger Politikwissenschafterin Prof. Barbara Wolf-Wicha ist (noch) Vorsitzende des Salzburger Landes-Kulturbeirats. Ende November wird das Gremium neu formiert.
Zum Bericht „Zumindest Etappenerfolge“
Zur Stellungnahme des Dachverbands „Das Minus als Erkennungszeichen“
Zum Kommentar Keine Sorge, die Kultur streikt nicht!