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Unter Hochspannung

GLOSSE

altVon Reinhard Kriechbaum

27/07/11 Der Eröffnungsfestakt der Festspiele ist allemal die Gelegenheit, dem erlauchten Publikum die kleinen Nöte des Salzburger Alltags vorzutragen – und die viel größeren der Welt sowieso.

Heute, Mittwoch (27.7.), also knapp vor elf in der Hofstallgasse: Da hat der wie ein Samson getragene Strom-Mast aus Leicht-Alu, verziert mit drei Luftballonen, viele verwunderte Blicke auf sich gezogen. Frage an das Grüppchen Demonstrierender, ob denn das Festspielpublikum wirklich die richtige Zielgruppe sei? „Das sind ja Leute aus der Wirtschaft – und die sind schon mitverantwortlich“, sagt eine der 380-KW-Laibchenträgerinnen mit Sendungsbewusstsein. Der deutsche Dialekt irritiert mich kurz, aber sie beschwichtigt: Ja, Deutsche ist sie, aber sie lebt seit einem Vierteljahrhundert im Bundesland Salzburg – und künftig sogar „so gut wie unter der Stromleitung“.

Ok, das geht also durch. Cyriak Schwaighofer, lokaler Spitzenpolitiker der Grünen, hat eigenhändig Broschüren mit Jan Zieglers nicht gehaltener Festspielrede ausgeteilt. Willkommener Lesestoff für die sau-faden Politiker-Reden. So was ist immer gut dabei zu haben beim Festakt.

Die Reichen und Schönen haben heuer nicht nur Tadler, sondern auch ungebetene Sympathisanten bekommen, die „Freunde des Wohlstands“: „In cash we trust!“, verkünden die, und meinen in Wirklichkeit doch nicht Bargeld, sondern die Kreditkarte. Aber immerhin: Wer würde sich sonst stark machen für Leute, die mit multiplen PS zu den Premieren auffahren und aufdringlich gehobene Lebensart demonstrieren? Die „Plattform des liberalen Kapitalverkehrs“ hat sich angeblich dem Lobbying für die „kleine Minderheit der Besserverdienenden“ verschrieben – aber ach, es ist, um es mit Nestroy zu sagen, „alles net wahr“: In Wirklichkeit war das eine sozialpolitisch angehauchte Kunst-Intervention.

Die G’stopften hätten den Pferdefuß sogleich ahnen müssen. Wenigstens das Spruchband mit dem spritzigen Sager „Stopfleber ist keine Delikatesse, sondern peinlich“ war ernst gemeint, denn natürlich waren auch die Pelz-Bewahrer und Tierschützer unterwegs. Sonst sind sie eher vor der „Kleiderbauer“-Filiale am Alten Markt umtriebig, aber zu Festspielbeginn wechseln die Aktivisten kurzerhand die Salzach-Seite. Den Nerz hätte man in den saukalten Tagen vorher tatsächlich, den Aktivisten zum Trotz, liebend gern umgehängt. Nicht aber am - endlich! - sommerlich warmen Mittwochvormittag. Das Wetter kann ein Hund sein.

Zur Meldung Kultur als wichtige Gegenmacht
Zum Wortlaut der Eröffnungs-Festrede von Joachim Gauck Aus der durchherrschten Gesellschaft
Zum Wortlaut der „Gegenrede“ von Jean Ziegler Der Aufstand des Gewissens

 

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