Volkes Seele kratzt das alles nicht

KOMMENTAR

altVon Reinhard Kriechbaum

29/03/11 Da stehen sie also, die ungeliebten Statuen, über die schon deshalb nicht diskutiert wird, weil jedermann erkennen kann, dass es hehre Ideale sind, die da beschrieben werden. Dass sie aus dunklen Jahren kommen, dass braune Ideologie dahintersteckt: Das hat Volkes Seele noch nie irritiert.

Es ist gut, wenn Künstler wie Bernhard Gwiggner selbst in diese Richtung arbeiten, wenn eine gesellschaftskritische Kunsthistorikerin wie Hildegard Fraueneder mit Fingern auf etwas zeigen, was durch und durch fragwürdig ist. Gut auch, wenn die beiden – wie es nun mit dem Podium 10-Projekt „Abgestellt?“ passiert – Studentinnen und Studenten der Salzburger Universitäten animieren, künstlerisch Position zu beziehen.

Wie viel unmittelbare Nazi-Kunst oder Kunst von einst dem Nationalsozialismus nahe stehenden Künstlern gibt es eigentlich in dieser Stadt? „Die Forschungslage ist ziemlich prekär“, sagt Hildegard Fraueneder. Mit Ausnahme von Josef Thorak, einer der Bildhauer-Leitfiguren. Dass eine Straße in Aigen immer noch nach ihm benannt ist, gehört zu den Standard-Diskussionen von Stadtpolitikern.

Wie viele Skulpturen also? Niemand kann es sagen, es fehlt ein einschlägiger Kataster. Den könnte man ruhig mal angehen. Man braucht nicht lange zu suchen. Die beiden Figuren bei der Berufsschule an der Lehener Brücke dürften in diese Zeit fallen. Ob Max Rieder nun mit seiner „Mutter und Kind“ der SS ideologisch bewusst zugearbeitet hat oder ob er „nur“ Schüler und Atelier-Mitarbeiter des Nazi-Vorzeigebildhauers Thorak war? Jedenfalls steht eine weitere einschlägige Skulptur, eine Frauenstatue, ebenfalls auf dem Spitalsgelände. Zur Zeit etwas eingekeilt zwischen einem Container-Bauwerk und parkenden Autos. Nicht auf allem steht unmittelbar „Nazi-Kunst“ drauf. Der „Heilige Johannes“ von Veva Toncic hebt mahnend einen Finger. Ob er uns daran erinnern will, dass diese Künstlerin sich mit einer Führer-Büste eingeführt hat ins Kunstleben der Stadt Salzburg?

Der Umgang ist heikel, das Wegräumen würde ja auch ein gedankliches Auslöschen bedeuten. Und Hinweistafeln beheben nur einen Teil der Problematik. Es kann nicht gut jeder Kirchenchor, wenn er einen frommen Liedsatz von Cesar Bresgen singt, eine Tafel hochhalten, auf der steht: „Achtung, früherer Nazi-Komponist!“ Und über die „Wilde Jagd“ zur Vorweihnachtszeit freuen sich Volkskultur-Freunde auch und lassen sich gar nicht so gerne daran erinnern an Kuno Brandauer: Er hat diesen „uralten“ Brauch schlicht und einfach erfunden und aus Brauch-Partikeln zusammengestellt. Seinerzeit spielte Kuno Brandauer eine entscheidende Rolle als Bewahrer ganz echten, ur-deutschen Brauchtums.

Zur Hintergrund-Geschichte {ln:Nazi-Kunst ist geduldig – und ihre Betrachter sind es auch}