„Wir“ – das ist die Zukunftsperspektive!

GASTKOMMENTAR (2)

altVon Hans Holzinger

03/01/12 Stichworte wären die Abkehr vom Wachstumszwang, die Etablierung neuer Indikatoren für wirtschaftlichen Erfolg (neben dem BIP sollten der ökologische Fußabdruck sowie die Verteilung des Wohlstands gemessen werden), die Wiederbelebung regionaler Wirtschaftsstrukturen, die Orientierung an Grundbedürfnissen wie Nahrung, schönes Wohnen für alle, Gemeinschaftserleben. Dazu eine Besinnung auf das Gemeinwohl:  hohe Qualität öffentlicher Güter wie Bildung, Kinderbetreuung, seriöse Information durch öffentliche Medien statt Entertainment und immer noch mehr privatem Konsum.

Es gab Warnungen vor den Instabilitäten des internationalen Finanzsystems, doch niemand wollte sie hören. Wir tun gut daran, neue Warnungen – etwa vor der Erosion der Demokratie, dem Verlust des sozialen Zusammenhalts, der Abwertung alles Öffentlichen – ernst zu nehmen. Sinnvolle Arbeit für die junge Generation – auch für jene, die in der permanenten Leistungsschraube nicht mithalten können, Rahmenbedingungen, die Familie und Beruf für beide Geschlechter gut lebbar machen, Zupacken aller Generationen für das Gemeinwohl hin zu einem neuen „Wir“, von dem der Zukunftsforscher Horst W. Opaschowski spricht – das wären Zukunftsperspektiven für ein „neues Österreich“.

Wir brauchen ethische Milieus, in denen es als unanständig gilt, sein Geld für sich arbeiten zu lassen und dabei immer mehr Reichtum anzuhäufen. Wir brauchen intakte soziale Sicherungssysteme bei gleichzeitiger Aktivierung der Bürgerinnen und Bürger in einer „Mitmach-Gesellschaft“ sowie neue Balancen zwischen Erwerbs-, Sorge- und öffentlicher Arbeit. Wir brauchen schließlich eine Belebung der Demokratie durch Partizipationsmodelle und neue Versammlungskulturen einschließlich einer neuen Ortsbindung statt Vereinzelung und permanentem Unterwegssein. Und wir sind gut beraten, Komplexität zu reduzieren, Leben und Arbeiten zu entschleunigen und uns auf eine bewusste, einfache Lebensführung zu besinnen.

Dabei können wir auf einen  – trotz Wirtschaftskrise – historisch einmaligen materiellen Wohlstand zurückgreifen. Es braucht nur den Mut der Politik zu einem „neuen Teilen“. Wir verfügen über Reichtumspuffer und können dabei aus der „Fülle“ schöpfen! Wer Visionen hat, braucht keinen Arzt sondern Verbündete, die diese mit ihm teilen. Die Kraft von Utopien liegt in ihrem Veränderungspotenzial für eine humane Zukunft, die sich nicht auf Sachzwänge einengen lässt. Es liegt an uns, unser Zusammenleben zu gestalten.

Niemand kann sagen wie die Zukunft wird. Doch sind Vorstellungen darüber möglich, wie sie werden könnte. Und wir können – und sollen – uns fragen, welche Zukunft wir wollen. Wirtschaft und Gesellschaft erscheinen hyperaktiv, und doch sind wir wie gelähmt, im „rasenden Stillstand“ befangen. Es gibt immer weniger Vitalität, vielmehr dominiert das Ausgebrannt-Sein. Unsere Sehnsüchte verlieren sich in den Einkaufshäusern, die Phantasie wird von bunten Fernsehbildern abgetötet; die Schaffenskraft in den Fitnessstudien vergeudet.

In der Tat leben wir in einer Utopie-fernen Zeit. Die Kraft des Wünschens ist verschüttet. Sachzwänge bestimmen das Denken und Handeln. Soziale und ökologische Defensivkosten führen zu „unwirtschaftlichem Wachstum“ – es steigen lediglich die Ausgaben zur Behebung von „Zivilisationsschäden“. Nachhaltiges Wachstum hingegen führt zu mehr Lebensqualität – nicht mehr die Billigstprodukte nach dem Motto „Geiz ist geil“ sondern Güter von Dauer bestimmen die Warensortimente. Es wachsen immaterielle „Güter“ wie frei verfügbare Zeit, Aufmerksamkeit, soziales Miteinander, Kooperation. Bürger, Staat und Unternehmen verständigen sich auf eine Bedarfswirtschaft, die regional organisiert und sozial vernetzt ist.

Mag. Hans Holzinger ist Mitarbeiter der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen in Salzburg, Mitherausgeber der Zeitschrift „Pro Zukunft“, Lehrbeauftragter an der Universität Klagenfurt, Mitglied des Entwicklungspolitischen Beirats des Landes Salzburg. Rückmeldungen an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Zum ersten Teil des Gastkommentars {ln:Was wäre echte Lebensqualität?}