Der Maßstab zwischen Kultur und Natur

KOMMENTAR

altVon Reinhard Kriechbaum

30/11/10 Was ist kostbarer, die Kopie oder das Original? Ziemlich blöde Frage, möchte man meinen. „Lebens-Gefahr?“, die neue Sonderschau im „Haus der Natur“, lässt einen aber dann doch etwas zögern mit der Antwort. Wäre es denkbar, Van Goghs „Schwertlilien“ einfach zu vernichten? Im Gegenteil. Sein Wert ist uns sehr bewusst. Würde das Bild jetzt versteigert, purzelten höchstwahrscheinlich die Rekorde. Aber es gibt auch echte Schwertlilien. Jeder von uns ist schon mal achtlos dran vorbeigegangen. Sie führen, so sie überhaupt noch gedeihen, ein Stiefmütterchen-Dasein am Straßenrand. Bei der Gelegenheit: Wie geht es eigentlich den Stiefmütterchen?

Eine Ausstellung über Artenvielfalt und (bedrohte) Lebensräume kommt natürlich nicht ohne Polemik aus, zum Beispiel ohne kühne Fotomontagen: Ein imaginäres Autobahnkreuz über einem Auwald, daneben ein solches mitten in der Salzburger Altstadt. Glücklicherweise ist weder das Eine noch das Andere im Busch, aber im Ernstfall würden, jede Wette, die Denkmalschützer besser gehört als die Anwälte von Staudenknöterich und Konsorten.

Sind unsere Wertmaßstäbe ordentlich durcheinander gekommen? Die Revitalisierung des Weidmooses hat 1,2 Millionen Euro  gekostet, für die Wiederherstellung der abgebrannten Wiener Redoutensäle hat die öffentliche Hand 72 Millionen Euro springen lassen. Auch das ist eine Information auf einer Schautafel.

Zugespitzte, für eine aufrüttelnde Museumspräsentation zueinander gebogene Informationen? Mag sein. Der Alltag zeigt die Konfrontation unauffälliger. Zum Beispiel gerade heute, Dienstag (30.11.) zur selben Vormittagsstunde. Da hatte also das „Haus der Natur“ zu einem Pressegespräch eingeladen, und gleichzeitig das Bundesdenkmalamt im Schulterschluss mit einem starken Investor zu einem weiteren. Da ging es um das Gut Guggenthal und die Idee, von dort eine Bergbahn auf den Gaisberg hinauf zu führen. Im Bereich der möglichen Talstation haben wegen der alten Gebäude die Kultur-Menschen, die Denkmalschützer einiges mitzureden. Entlang der Strecke nach oben und auf dem Gipfel selbst sind die Naturschützer und die Bewahrer des Naherholungsraums am Wort. Man wird sehen, wer nachdrücklicher Argumente vorbringt und wer besser gehört wird.

Einige andere „fachübergreifende“ Themen fallen einem übrigens auch ein in der Sonderschau im Haus der Natur, die der Artenvielfalt und deren Gefährdung gilt. Wie wäre es, im Haus der Natur mal über Integration und Xenophobie zu räsonnieren? Die Felsenschwalbe, wirklich kein Unsympathling im heimischen Tierreich, ist erst 1916 in Salzburg angekommen und hat sich seither weit verbreitet im ganzen Burgenland. Kein Mensch hat etwas gegen sie. Anders verhält es sich mit dem Japan-Staudenknöterich, der eingeschleppt worden ist, sich in den Salzachauen dicht verbreitet hat und dort tatsächlich manchen einheimischen Arten die Luft zum Atmen wegnimmt. Offenbar ist Migration auch im Tier- und Pflanzenreich ein heikles Thema.

Zum Ausstellungsbericht {ln:Was da kreucht und fleucht}