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Weiter suhlen im wohligen braunen Morast

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

17/09/21 Da hat also die Stadt selbst einen Fachbeirat eingesetzt, die viele Jahre hindurch – seit 2018 – die Biographien jener Leute auf braune Flecken untersucht hat, nach denen man hierorts Straßennamen benannt hat. Herausgekommen ist ein stattliches Konvolut, 1.100 Seiten dick. Was nun geschieht: Nichts. So gut wie nichts. Warum bloß wundert uns das nicht?

In dem Fachbeirat waren neun Leute tätig, deren fachliche Kompetenz völlig außer Streit steht. Nicht angezweifelt wurden auch die wissenschaftlichen Ergebnisse. 66 Salzburger Straßennamen-Patrone waren in irgendeiner Weise ins Nazi-System verstrickt, als Parteimitglieder, -anwärter, Funktionsträger. Die Studienautoren habensie sorgsam aufgedröselt in eher harmloseMitläufer oder in Fälle, wo man genauer hinschauen muss.Und in dreizehn Fällen erkannten die Historiker unmittelbaren Handlungsbedarf.

Einer der Autoren, der Historiker Ernst Hanisch, sagte aber schon bei der Präsentation des Berichts im Juni: „Wir haben als Staatsbürger unsere Empfehlungen ausgesprochen.“ Da schwang schon gehöriges Misstrauen gegen die derzeit politischen Verantwortungsträger mit, das sich nun als höchst begründet herausgestellt hat. Die Studie wurde ja zu einer Zeit in Auftrag gegeben, da SPÖund Bürgerliste das Sagen hatten. Nun sind andere Protagonisten am Zug. Bürgermeister Harald Preuner, den gut befahrene Kreisverkehre deutlich mehr interessieren als die Aufarbeitung von Salzburgs brauner Vergangenheit, hat flugs eine Mehrheit gesucht und diese bei der FPÖ (wundert nicht) und den Neos (irritiert schon ein wenig) auch prompt gefunden. Einer ultra-minimalistischen politischen Lösung steht also nichts mehr im Wege.

Bei der Präsentation des Berichts im Juni übte sich SPÖ- Vizebürgermeister Bernhard Auinger noch in Zweckoptimismus: „Im Herbst wird er dann politisch diskutiert“, kündigte er damals an. „Die Politik wird abwägen müssen, was jemand für die Stadt geleistet hat und wie sehr er in die NS-Zeit verstrickt war.“ Auinger konnte sich vordreiMonaten sogar noch „vorstellen, auch die betroffene Bevölkerung einzubinden“. Ausgeträumt.

Es wird, so der derzeitige Stand der Dinge, kein einziger Straßenname umbenannt. Gerade für vier Ergänzungstafeln wird es reichen. Diese werdenden den Volkskundler und Obmann des Landestrachtenverbandes Kuno Brandauer betreffen, den Musikschriftsteller und Mitbegründer der Salzburger Festspiele Heinrich Damisch, sowie die bildenden Künstler Josef Thorak und Gustav Resatz. Ohne weitere Hinweise davon kommen schwer Belastete wie der Schriftsteller und Maler Erich Landgrebe, der Komponist und Dirigent Hans Pfitzner, der Konstrukteur Ferdinand Porsche, der Volksmusikant und Kulturfunktionär Tobias Reiser, der Musikwissenschafter Erich Schenk, der Domorganist und Mozarteums-Professor Franz Sauer, der Kunsthistoriker Hans Sedlmayr und der Schriftsteller Karl Heinrich Waggerl. Dass man den Herbert-von-Karajan-Platz umbenennen würde, war sowieso undenkbar.

Eher kurios einzustufen ist die Ansicht des Neos-Stadtrats Lukas Rößlhuber, der allen Ernstes den Menschen zutraut, „mündig genug“ zu sein, „um eine Person auch kritisch zu hinterfragen“. So jedenfalls wurde er gestern in mehreren Medien zitiert. Was herauskommt, wenn Bürger selbsttätig recherchieren und denken, kann man gerade an der stattlichen Zahl von Impfverweigerern in Salzburg unmittelbar ablesen.

Lassen wir also die Salzburgerinnen und Salzbürger weiter dümpeln, gar sich suhlen im braunen Morast, der zwar nicht so gut, aber ungemein vertraut riecht. Und dessen Temperatur, wohlig an unsere Körper angepasst, doch wirklich keinen Grund gibt, auszusteigen aus der geschichtsvergessenen Komfortzone.

Zum Bericht Von Opportunisten und Hardlinern
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Zum Stich-Wort Jude und Nazi für die Festspiele

 

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