Mozart (über)lebt

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

19/01/21 Das Top-Thema heute Dienstag (19.1.) im Ö1-Morgenjournal, und nicht nur dort: Viele, möglicherweise zu viele Eltern nähmen das Betreuungsangebot der Schulen für die Kinder an. Es wäre klug im Sinne der allgemeinen Bewegungsverläufe und natürlich auch angesichts potentieller Ansteckungsherde, auch da zurückzufahren, wo es nur geht.

Am selben Tag verkündet die Stiftung Mozarteum, dass am kommenden Samstag (23.1.) die Wiener Philharmoniker für eine Konzertaufnahme nach Salzburg kommen, die dann in der Mozartwoche digital ausgestrahlt wird. Rechnet man alle Künstlerinnen und Künstler dieses gestreamten Mozart-Fests zusammen, dann setzen sich dafür wohl an die hundertfünfzig Menschen in Bewegung. Klar doch, sie alle sind regelmäßig getestet, und ihre Salzburg-Reisen sind absolut berufsbedingte. Eiserne Disziplin gehört in einem künstlerischen Beruf sowieso dazu und ist gerade jetzt für Kultur-Profis lebenserhaltend. Mit künftigen Skilehrern aus nordischen Landen, die ausbildungsbedingt auf österreichischen Pisten erst mal den Stemmbogen üben, darf man das nie und nimmer vergleichen.

Und doch: Es bleibt ein schaler Beigeschmack. Es zeigt, dass man sich in dieser heiklen Pandemie-Zeit mit welchen Maßnahmen und welchen Ausnahmen auch immer argumentativ beständig auf Glatteis bewegt. Wir „Kulturverliebtenr“ sind nun das dritte Monat en suite aus den Opern-, Konzert- und Theatersälen verbannt. Es werden vier volle Monate werden, wenn nicht mehr. Da gieren wir nach Musik und freuen uns aufrichtig nicht nur über die philharmonische Salzburg-Präsenz unter Daniel Barenboim und mit der Solistin Cecilia Bartoli. Für die Veranstalter der Mozartwoche ist es auch eine Imagefrage: Mozart (über)lebt auch unter den widrigsten Umständen.

Als Sympathisanten der Kultur platzen wir jetzt förmlich vor Vorfreude. Gerne stecken wir das ganztägige Ausgehverbot weg. Wir halten den geforderten Abstand und schauen schon mal, dass wir uns ehzeitig mit FFP2-Masken eindecken (auf den Staat und sein Organisationstalent verlassen wir uns lieber nicht). Mit frischer Kraft helfen wir unseren Kindern beim Homeschooling. Es gibt uns einfach ganz, ganz viel Auftrieb, dass die Wiener Philharmoniker, das Balthasar-Neumann-Ensemble, Barenboim und die Argerich und viele, viele andere nach Salzburg reisen und für uns musizieren dürfen.

Aber übermütig sollten wir nicht werden und schon gar nicht über die offenen Skigebiete geifern (ein Reizthema in Kultur-Kreisen): Es muss uns schon bewusst sein, dass Nicht-„Kulturverlieben“ die Stirn runzeln. Womöglich nennen diese Banausen die vielen Reisebewegungen, die da für das mediale Kultur-Imageprodukt namens Mozartwoche unternommen werden, gar einen Unfug.

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Kein Strich mehr durch die Rechnung