Oper nach der zweiten Spritze?

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

31/12/20 Also sprach Bundeskanzler Sebastian Kurz via ORF am späteren Abend zum Volk: Wenn ab 18. Jänner Kulturveranstaltungen wieder möglich sein werden, werden die Besucher ein negatives Testergebnis nachweisen müssen. Das darf nicht älter als 48 Stunden sein und der Veranstalter wird’s kontrollieren müssen.

So weit der offizielle Informationsstand aus dem Mund des Bundeskanzlers, Stand 30. Jänner, 22 Uhr. Die Verfassungsrichter wetzen zwar schon die Messer, aber das kratzt Kurz nicht: Das Freitesten sei „ein komplexer, neuer Bereich“, und es gebe eben „immer einen Verfassungsexperten, der etwas skeptisch sieht, weil es neu ist“. Wir ahnten es: So ein junger, dynamischer Kanzler hat seine Crux mit den pessimistischen Altvorderen beim Verfassungsgerichtshof...

Kurz' Aussagen in der ZIB2 muss man sich sowieso auf der Zunge zergehen lassen: „Überall dort, wo man es gewohnt ist, ein Ticket herzuzeigen beim Eingang“ soll man ab 18. Jänner also eine Testbestätigung herzeigen müssen. Da unterdessen die Karten bei den meisten Veranstaltern personalisiert sind, heißt das: Eintrittskarte, Personalausweis, Impfnachweis.

Billeteure werden ganz genau hinschauen müssen, wegen der 48 Stunden. Wenn Elisabeth Fuchs am Montag 18. Jänner um 14 Uhr im Kongresshaus ihr Staberl hebt (dieses Konzert der Philharmonie Salzburg wird voraussichtlich das erste sein nach dem Lockdown), dann werden sich die Zuhörerinnen und Zuhörer nach Samstag, 14 Uhr, um ihre Testung bemüht haben müssen.

Kurz wörtlich: „Warum tun wird das? Nicht, um Einzelne zu quälen, sondern es ist einzige Möglichkeit, in einer Phase hochzufahren, wo es ohne Testungen einfach nicht möglich wäre.“ Kein Quälen Einzelner, wo denkt man hin! In der Gastronomie wird der Test-Nachweis eine Woche alt sein dürfen, und die Wirte brauchen auch nicht zu kontrollieren, sondern es ist dort nur an „punktuelle Kontrollen durch die Gesundheitsbehörden“ gedacht. Das Zusammensitzen beim Krügerl oder Seiderl (ohne Mundschutz!) ist ja viel, viel ungefährlicher als ein Theater- oder Konzertbesuch und den Wirtshausbesuchern ist gewiss mehr zu trauen als dem Gelichter in den Musentempeln. So wie den Skifahrern: Für die Lifte braucht's nicht mal jetzt, während des harten Lockdowns, eine Testung.

Keine verschwörungstheoretischen Mutmaßungen hier. Es geht Kurz und Konsorten ausschließlich ums Austesten, was geht und was gehen könnte. Wie laut ist der Aufschrei und aus welchen Ecken kommt er? Natürlich wird es niemals offiziell eine Impfpflicht geben, so wie es auch keine Testpflicht gibt. Aber wenn Impfungen dann greifbar sind, könnte man ja zur Eintrittskarte auch den Impfpass vorzeigen lassen. Oper nach der zweiten oder schon nach der ersten Spritze?

All das ist nur zu unserem Besten. Von Schulen und Universitäten ist sowieso wieder mal keine Rede. Wir regen an: Präsenzunterricht und Vorlesungen nur, wenn der Testnachweis nicht älter als 48 Stunden ist. Die anderen können sich heimgeigen lassen. Der Staat pfeift auf Kultur und Bildung. Und überhaupt: Was brauchen wir gut ausgebildete junge Menschen? Hauptsache, das Volk vertraut sich blindlings klugen Absolventen der elitären ÖVP-Parteiakademie an.