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Chuzpe

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

21/12/20 Schmähstad. Klänge in diesem Wort nicht eine gewisse abwertende Ironie mit, dann taugte es als Beschreibung für die Befindlichkeit von Kulturschaffenden aller Ebenen und Bereiche. Das permanente Auslaugen hat ein Stadium erreicht, dass die Kraft, so scheint's, nicht mal mehr für spontane Wortmeldungen reicht.

Wie anders reagieren doch jene, die seitens der Politik Aufwind bekommen. Die sind erwartungsgemäß alles andere als schmähstad. Etwa Erich Egger, Sprecher der Salzburger Bergbahnen. Wir erinnern: Kulturschaffende und Kultur Organisierende haben am Freitag (18.12.) de facto ohnmächtig zur Kenntnis nehmen müssen, dass sie bis auf Weiteres im Wachkoma-Stadium gehalten werden – man geht in den dritten Schließ-Monat en suite, in den siebenten Monat, wenn man vom ersten Lockdown weg rechnet.

Wie anders stellt sich die Situation für die Bergbahnbetreiber dar: Denen wurden im Frühjahr fünf Wochen genommen, und jetzt, von den imaginären Saisoneröffnungs-Halligallis bis Weihnachten gezählt, maximal vier Wochen. Mit schlappen zwei Monaten Schließung sind sie im Vergleich zur Kultur auf die Butterseite der Corona-Krise gefallen. Und was tut besagter Herr Egger jetzt kund? Er empört sich darüber, dass Skifahrer FFP2-Masken tragen müssen. Egger im ORF: „Es gibt kein Verkehrsmittel in Österreich, wo solche Masken getragen werden müssten. Nicht in Eisenbahnen, nicht in U-Bahnen und auch nicht in Flugzeugen. Aber bei Seilbahnen wäre das nun so.“

Das nennt man Chuzpe. Und dieses Wort könnte all den ernsthaft Betroffenen auch zum Interview mit Landeshauptmann Haslauer jüngst in „Salzburg heute“ einfallen. Die Skigebiete werden geöffnet, weil die Salzburgerinnen und Salzburger so sehr Verlangen nach dem Sport haben, sagte er sinngemäß. Dass die Öffnung mit Lobbyismus und Geld zu tun hat, klang bestenfalls am Rande mit. Der (Salzburger) Interviewer war vornehm genug, nicht nachzubohren: In einem Wintersport-Land hackt eine schwarze Krähe der anderen kein Auge aus.

Noch ein Beispiel gefällig? Im Leitartikel der Salzburger Nachrichten lesen wir heute (21.12.) den schönen Satz: „Kein Theater, keine Oper, kein gemütliches Beisammensein in der Gastronomie und selbst das Skifahren wird uns nur spärlich gewährt.“ Was genau meint der Schreiber mit „spärlich“? Es wird ab dem Stephanitag ganztägig Ausgehverbot herrschen, aber in die Skigebiete wird man fahren und sich dort frei bewegen dürfen. Kinder dürfen zwar nicht in die Schule, aber sie durfen Gondelbahn fahren. Aber freilich: Es wird schwierig, am Pistenrand an dampfenden Jagatee und Würstlsuppe zu kommen. Und die Hüttentoiletten werden womöglich auch versperrt sein.

Liebe Skilift-Maskenjammerer: Kultureinrichtungen sind zu. Ganz zu. Drei Mal so lange wie die Skigebiete. Wir Kulturmenschen wären schon dankbar, wenn wir mit FFP2-Masken hinein dürften. Und wenn die Theaterbuffets geschlossen bleiben, würden wir das mit stoischer Ruhe ertragen. Sogar über versperrte Toiletten würden wir nicht maulen.

Letztere brauchen wir nur, wenn wir die Jammerei von Krisengewinnern hören. Auf die Straße kotzen gehört sich ja nicht.

 

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