Heizschwammerl

GLOSSE

Von Reinhard Kriechbaum

04/09/20 Also sprach Harald Mahrer, Chef der Wirtschaftskammer: Angesichts der Corona-kränkelnden Gastronomie sei es „total widersinnig“, im Herbst die Schanigärten wegzuräumen. Wozu gibt’s Heizschwammerl? Neidlos gestehen wir wieder einmal der Wirtschaft zu: Von ihr könnte die Kultur noch viel lernen.

Da zermartern sich Theater- und Opernindendanten und ihre Wirtschaftsdirektoren gerade die Köpfe, wie sie die Halbe-Halbe-Belegung in den Zuschauerräumen in den Griff kriegen. Eine Heizschwammerl-Saison, ein Outdoor-Kulturwinter – das wäre doch die simpelste Lösung!

Warum bloß haben die Festspiele die Jedermann-Tribüne gar so schnell abgebaut? Die könnten sie in der kalten Jahreszeit zu Bestpreisen vermieten. Nicht nur Troubadour und Carmen ließen sich mit großen Lagerfeuern stimmig aufpeppen. Zigeunerlager-Romantik und Zuschauer-Erwärmung mit einem Zündholzstrich. Auch über das Heckentheater sollte man nachdenken. Wenn man – wie demnächst in der Zürcher Oper – Chor und Orchester elektronisch einspielt, fände selbst dort Boris Godunov Platz. Dort aber bitte wirklich Heizschwammerl, offenes Feuer birgt die Gefahr, den Mirabellgarten und das Schloss abzufackeln. Das hatten wir schon mal im 19. Jahrhundert.

Als Location böte sich wintersüber auch das Steintheater an. Wenn die Besucher erst mal raufgekeucht sind auf den Hellbrunner Berg, sind sie zumindest für den ersten Akt gut aufgewärmt. Und weil den Weg bergauf eh keiner mit Covid-19 schafft, kann man die Leute auch bedenkenlos eng setzen. Man spart Heizkosten.

Die Kosten werden sowieso überschätzt. Der Strom kommt aus der Steckdose, und zwischen Griechenland und der Türkei gibt’s so viel Gas im Meer, dass sich sogar ein Konflikt lohnt. Wir warten einfach ab und laden dann Erdogan in die winterliche Freiluft-Oper ein, um ihn milde und exportwillig zu stimmen. Man braucht ihm ja nicht ausgerechnet die Entführung aus dem Serail vorzuspielen.