Das Ischgl der Opernwelt?

KOMMENTAR

Von Reinhard Kriechbaum

01/04/20 Der deutsche Musikjournalist Manuel Brug hat wenige Stunden nach Absage der Bayreuther Festspiele in der Welt Überlegungen zu Corona und einem Musikfestival in solchen Dimensionen angestellt: „Wenn es ein Verbreitungsparadies gäbe, hieße es Bayreuther Festspielhaus.“ Die Salzburger Festspiele nennt Brug im gleichen Atemzug.

Auch Salzburg nämlich hätten das Potential „zum Ischgl der Opernwelt“ zu werden. Nicht zu Unrecht sieht Manuel Brug auch an der Salzach eine „Klientel, die tagtäglich in einer sowieso schon von Touristenmassen überfluteten österreichischen Provinzhauptstadt um Atem ringend durch Hitzewellen oder Schnürlregen in engen Gassen stöckelt. Und anschließend ebenfalls zu Tausenden in Theaterbauten zusammenrückt, um hinterher in auch nicht eben großzügig bemessenen Lokalen das Gesehene wie Gehörte trinkend und essend opulent nachzubereiten.“

So wie Manuel Brug denken viele. Aus dem Salzburger Bildungshaus St. Virgil hören wir, dass schon Sommerfestspielgäste (und sogar solche fürs Adventsingen!) ihre Quartierbuchungen storniert haben. Viele gehören ob ihres Alters tatsächlich der Risikogruppe an.

Die Frage ist, ob die Festspielleitung es sich leisten kann, noch zuzuwarten. Man will – so der aktuelle Stand – über die Pfingstfestspiele am 15. April und über das Jubiläumsfestival im Sommer Ende Mai entscheiden. Den 30. Mai haben sich auch die Bregenzer Festspiele als Deadline selbst gesetzt, während es sonst bereits Absagen hagelt, von Mörbisch und St. Margarethen im Burgenland bis Erl im Tiroler Unterland. Die Innsbrucker Festwochen sind noch schmähstad, die Hoffnung stirbt zuletzt.

Der Gedanke an Ischgl drängt sich tatsächlich auf. Was Touristiker dort innerhalb weniger Tage haben lernen müssen: Der Weg von der In-Destination zum Paria in Epidemiezeiten ist kein weiter. Ähnliches kann auch Kulturveranstaltern blühen. Katharina Wagner hat die Absage ihres Bayreuther Festivals noch vor wenigen Tagen als Supergau bezeichnet – doch der Imageschaden durch ein Wiederaufflackern der Infektionen könnte letztlich schwerer wiegen als eine Absage.

Für Salzburg sind jetzt einmal die Pfingstfestspiele das brandheiße Thema. Wir sehen gerade an den Fernsehbildern aus der chinesischen Metropole Wuhan, wie „Normalisierung“ aussieht. Wir stellen uns vor: Anstatt Damenhandtaschen auf verborgene Waffen zu untersuchen, zücken in acht Wochen die Billeteure die Fieberthermometer. Und dann sitzen alle Leute mit Gesichtsmasken im Haus für Mozart. Das hat nämlich deutlich mehr als vierhundert Quadratmeter. Selbst eine Sängerin vom Format der Cecilia Bartoli kann mit ihrem Charisma nicht gegen eine Heerschar der Vermummten ansingen. Wir wollen uns die Stimmung solcher „Festspiele“ gar nicht ausmalen.

Der Kommentar von Manuel Brug in der „Welt“
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