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Retotatototato

STICH-WORT

08/01/25 Da rede noch einer von „toter“ Sprache oder mokiere sich drüber, dass Latein selbst im Vatikan unterdessen nur mehr von betagten geistlichen Herren leidlich verstanden wird. Es tauchen auch heutzutage „neue“ lateinische Wörter auf – und es wird sogar ein Wort des Jahres gekürt.

Von Reinhard Kriechbaum

Dieses Wort des Jahres 2024 heißt retotatototato. Es ist als Graffito wohl kurz vor dem Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 n. Chr. in die Wand eines Hauses in Pompeji geritzt worden. Über den Buchstaben stehen griechische Musikzeichen. Möglicherweise also die lautmalerische Nachahmung eines Blasinstruments. „Onomatopoetisch“ sagen dazu die Sprachwissenschaftler.

Auf die Suche nach dem lateinischen Wort des Jahres macht man sich nicht im Vatikan, sondern in München. Zum dritten Mal hat man für das weltweit führende Lexikon des antiken Lateins, den an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften beheimateten Thesaurus linguae Latinae („Schatzhaus der lateinischen Sprache“), zur Online-Wahl aufgerufen.

Was außer retotatototato wäre sonst zur Wahl gestanden? Reteiaclor, das Herausfischen eines Kandidaten aus einer Menschengruppe, wäre eine Option gewesen. Oder revaleo , das „wieder fit sein“ bedeutet und in einer frühchristlichen Grabinschrift überliefert ist. Retroactim meint „im Krebsgang“, und revolumen ist ein seemännischer Begriff, der das Zurückwälzen einer Welle beschreibt.

Um als lateinisches Wort des Jahres überhaupt in Betracht zu kommen, muss es „neu“ sein, was im Fall der antiken Sprache bedeutet: Es muss im betreffenden Jahr veröffentlicht worden sein und darf noch in keinem gängigen Wörterbuch aufscheinen. Außerdem sei bei der internen Vorauswahl darauf geachtet worden, „welche Wörter aus formaler oder inhaltlicher Sicht besonders interessant seien und sich eigneten, eine Verbindung zwischen Antike und Gegenwart herzustellen.“

Erstmals fand eine solche Wahl 2022 statt, und damals entschieden sich die teilnehmenden Latein-Fetischisten für rescellula (Sächelchen). 2023 stimmten schon 1.130 Sprachbegeisterte ab, doppelt so viele wie im ersten Jahr. Sie wählten das anschauliche Wort resocio, jemanden als Kameraden zurückgewinnen. 2024 gab es etwas über 900 Votings, zwei Drittel haben sich für retotatototato entschieden.

Der Thesaurus linguae Latinae ist sei das maßgebliche Wörterbuch des antiken Lateins, so die Bayerische Akademie der Wissenschaften. Als einziges Wörterbuch beziehe es sämtliche überlieferten lateinischen Texte von den Anfängen bis 600 nach Christus ein, berücksichtigt also neben der klassischen Literatur auch ausführlich die Besonderheiten der spätantiken und christlichen Texte. Untersucht werden nicht nur literarische Werke, sondern etwa auch juristische und medizinische Gebrauchstexte, Inschriften und Graffiti. Als ehemalige Nachblätterer im Stowasser können wir nur vor Neid erblassen.

Ein ganz beflissener Besucher der Website hat sogar ein Gedicht aufs aktuelle Wort des Jahres verfasst. Als Musikfreund muss man schmunzeln, weil er eine Formulierung aus dem Requiemtext verwendet. Unsereiner hat ja das Posaunensolo aus dem Mozart-Requiem im Ohr:

Tuba mirum spargens sonum
e Thesauri regionum
schedarumque loculo:
Re.TO.TATO.TOTA.TO

thesaurus.badw.de

Bilder: thesaurus.badw.de

 

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