21 Tonnen, 22 Pferdestärken

STICH-WORT

15/04/22 „Königin von Österreich“ steht auf Österreichs größter und mit über 21 Tonnen auch schwerster Glocke. Damit ist aber nicht die Pummerin im Wiener Stephansdom selbst gemeint, sondern die Gottesmutter Maria, der sie geweiht ist. Vor siebzig Jahren hat sie das erste Mal ihr sonores Kleines C von sich gegeben.

Von Reinhard Kriechbaum

Klar doch, in der Osternacht läutet sie auch. Aber zu diesem Zeitpunkt sind sowieso alle Glocken wieder zurück aus Rom, und deshalb ist der voluminöse Klang aus den Nordturm des Stephansdoms nur einer unter vielen. Unschlagbar als Radio- und Fernsehstar ist die Pummerin in der Silvesternacht. Da hängt der ORF dieses tönende Wahrzeichen an die große Glocke. Seit 1957 tut er das.

Ein Thema ist die Pummerin heuer, weil sie vor siebzig Jahren das erste Mal geläutet worden ist. Es ist geschichtsträchtiges Metall, das da verarbeitet ist. Die erste Pummerin, jene von 1711, wurde aus rund zweihundert Kanonen gegossen, die bei der Zweiten Wiener Türkenbelagerung (1683) zurückgelassen worden waren. Dieser Glockenguss für die Wiener Kathedralkirche war also auch ein symbolischer Akt gegen den muslimischen Erzfeind. Ab 1878 hat die alte Pummerin schon nicht geläutet, Risse im Turmgemäuer legten nahe, die Riesenmasse nicht zum Schwingen zu bringen. Den Zweiten Weltkrieg hat diese Glocke dann doch nicht überdauert. Im April 1945, beim Brand des Stephansdomes, ist sie abgestürzt und zersprungen.

Das Material der alten Glocke hat man aber auch in die neue Schmelzmasse eingebracht, aus der die jetzige Pummerin 1951 in St. Florian gegossen wurde. Der Transport der neuen Glocke nach Wien war ein medial zelebrierter Triumphzug. Sie stand auf einem Tieflader, mit Blumen bekränzt. Tausende Menschen säumten den Weg und warfen Blumen.

Es hat dann aber noch eine Weile, bis 1957, gedauert, bis der Dom so weit restauriert war, dass man die Glocke hinaufziehen konnte in den Nordturm. Aber am 27. April 1952 ließ die Pummerin erstmals ihr Kleines C hören. Damals hing sie in einem provisorischen Holzgerüst, das neben dem Nordturm aufgestellt war. Zum Zeichen der Verbundenheit mit Österreich läuteten damals zeitgleich mit der Pummerin auch die Glocken des Petersdoms in Rom.

A propos Peter. Die Pummerin ist nur die zweitgrößte freischwingende Kirchenglocke Europas (und die fünftgrößte weltweit). Die größte Glocke in Europa heißt offiziell „St. Petersglocke“, aber die Kölner sagen „Dicker Pitter“ oder, im Kölscher Dialekt, „Decke Pitter“. Der dicke Peter hängt im Dom. In der Höhe schlägt diese Glocke die Wiener Pummerin um knappe acht Zentimeter (314 gegen 322 cm). Aber das Gewicht! Der Dicke Pitter wiegt drei Tonnen mehr, nämlich 24 Tonnen.

Außer zu Silvester erklingt die Pummerin zu den kirchlichen Hochfesten, aber auch zu historischen Anlässen, etwa zur Wahl oder zum Tod eines Papstes. Sie hat bei der Unterzeichnung des Staatsvertrags 1955 geläutet und als John F. Kennedys 1963 ermordet wurde. Zuletzt hat man sie anlässlich eines Friedensgebetes für die Ukraine in Schwingung gebracht. Zwei elf PS starke Motoren treiben die Glocke an, die 34 mal pro Minute schwingt. Der Nachhall: 200 Sekunden, also über drei Minten!

Bilder: EDW / Archiv der Dompfarre Wien