Apollofalter

STICH-WORT

03/01/22 Wir hätten es ihm sagen können, wenn wir uns denn auf die Sprache der Schmetterlinge verstünden: Es gibt kein Entkommen vor den Wiener Philharmonikern. Er türmte aus dem Palmenhaus in Schönbrunn, jener Apollofalter, der zum Auftakt im Pausenfilm des Neujahrskonzerts das österreichische Weltkulturerbe abflatterte.

Von Reinhard Kriechbaum

Dort, im Palmenhaus, spielte eine Abordnung der Wiener Philharmoniker das Oktett von Schubert. Eigentlich kein Grund, sich in einem von den Schlossgärtnern unbewachten Moment davon zu machen. Aber die Sensorien eines Schmetterlings sind gewiss feiner eingestellt als die unsrigen. Und der Name Apollo verpflichtet, Gott der Musen hin oder her, in diesem Fall zu gar nichts.

Der Pausenfilm, diesmal konsequenterweise so gut wie ausschließlich aus Luftaufnahmen zusammengesetzt, ist vermutlich die effizienteste Tourismuswerbung für unser Land überhaupt. Es ist nicht der Ort für eine Brechung der Hochglanz-Optik durch die schnöde Wirklichkeit oder gar durch Ironie. Da ist dann schon der Sekunden-Spot auf einen Auto-Transportzug über einen Semmering-Viadukt das Maximum des Erlaubten.

Man muss schon Wikipedia befragen, um zu erfahren, dass gerade der Apollofalter, unser netter Reisebegleiter diesmal, zu den gefährdetsten Schmetterlingsarten überhaupt rechnet. Fein zu lesen, dass es ihm in den Alpen vergleichsweise gut geht und die Hohe Wand überhaupt ein Platz ist, wo er noch in ausreichender Zahl vorkommt. Dorthin, zu Seinesgleichen, ist er nicht geflattert, aber immerhin ins nahe Baden. Das gehört nämlich auch zu den Welterbestätten. Nicht allein, so doch in der Gruppe von Great Spa Towns in Europa.

Übrigens hätten nicht nur wir, nach den österreichischen Welterbestätten gefragt, auf Baden echt vergessen. Auch auf die Welterbeseite im hochoffiziellen Internet-Auftritt der Republik hat sich die Stadt noch nicht durchgesprochen. Ebensowenig wie der römische Limes (Österreich-Wahrzeichen - das Heidentor).

Wir haben zwischen den Walzern und Polkas aus dem Goldenen Saal des Musikvereins was dazu gelernt. Nicht alles gehört uns Österreichern ganz alleine. Die Vorkommen von Buchen-Urwäldern müssen wir uns mit den Karpatenländern teilen. Wien mitsamt Schloss Schönbrunn, Hallstadt mitsamt Dachstein, Wachau, Semmering-Eisenbahn, Neusiedlersee, Grazer Altstadt und Schloss Eggenberg und natürlich die Salzburger Altstadt – das ist alles ganz wunderbar, wenn man's so clean aus Schmetterlingsperspektive sieht. Im Gegensatz zum Apollofalter steht das österreichische Welterbe recht ungefährdet da. Nur Wien haben die Denkmalschützer von der UNESCO die Rute ins Fenster gestellt.

Was uns Salzburger zu dieser Neujahrs-Mittagsstunde so richtig gefreut hat. Hier, im Mirabellgarten, hat unser Apollofalter eine Partnerin gefunden. Oder gar einen Partner? Man müsste was verstehen von den Geschlechtsmerkmalen der Schmetterlinge. Aber auch ein gleichgeschlechtlicher Nektar-Sauger sollte recht sein in unserer aufgeklärten Zeit. In Graz ist der Apollofalter bei einem der 365 Fenster des Schlosses Eggenberg hineingeflogen, in den Planetensaal. Schade, dass das Falter-Pärchen eben dies beim Schloss Mirabell nicht versucht hat. Der schönste Trauungssaal der Welt hätte sich aufgedrängt, und Mozarts Gran Partita wäre eh von draußen herein getönt..

Der Pausenfilm zum Nachsehen und -hören – tvthek.orf.at
Das österreichische Welterbe – www.unesco.at
Bilder: Filmstills