50.000 Kristalle für Anna Netrebko
STICH-WORT
05/08/21 Hier wird nicht geflunkert mit Swarowski-Kristallen. Die knallharten Fakten sprechen für sich. 50.000 Kristalle werden Anna Netrebko umglänzen, wenn sie ab dem 21. August als Tosca auf der Bühne des Großen Festspielhauses steht. Vierzigtausend auf dem Kleid, neuntausend auf der Handtasche. Die restlichen tausend sind auf weitere Accessoires verteilt.
Von Reinhard Kriechbaum
Bis die alle angenäht oder angeklebt sind, braucht's seine Zeit. Hundert Werkstatt-Stunden, so erzählt Jan Meier, der Kostümchef der Festspiele, habe allein die Herstellung des Kleides für den zweiten Akt gebraucht. Das ist jener Traum aus tief weinrotem Satin mit schwarzer Spitze, auf den die 40.000 Kristalle appliziert sind.
Dafür ging es, so verrät Jan Meier, bei der Anprobe ganz schnell. Schlappe 41 Minuten für die drei Kleider. Als Amateur in Maßkleid-Anfertigung wundert einen das gar nicht so sehr. Die Netrebko ist ja so gut wie jedes Jahr da. Mit ein wenig Lebens-, Proportions- und Schneidererfahrung sollte man ein solches Kleid hinkriegen, ohne dass es dann irgendwo katastrophal zwickt oder spannt. Aber wahrscheinlich liegen die Dinge in der Kostümschneiderwahrheit viel komplizierter.
Wahrhafte Internationalität, den Festspielen würdig: Die Swarowski-Kristalle aus Tirol haften, zu wunderschönen Ornamenten gefügt, auf Satinstoff aus Spanien. Die schwarze Spitze kommt aus Frankreich. „Gar nicht so leicht zu bekommen“, berichtet Jan Meier, „Materialien sind derzeit knapp.“ Also nicht nur Engpässe bei Stahl und Holz, wie man seit längerem lesen kann. Auch Stoff will in nötiger Menge erst angekarrt sein.
Uns hat ganz etwas anderes interessiert: Wann kommt dieser Traum aus Satin und Kristallen in den Kostümabverkauf, haben wir die Präsidentin gefragt. Nicht, um es Ihnen, geschätzte Leserinnen und Leser zu verraten, sondern unseres eigenen potentiellen Vorsprungs wegen. Leider nein. Solche Kleider, wir haben's befürchtet, werden aufgehoben. „Ich träume ja immer noch von einem Festspielmuseum“, so Helga Rabl-Stadler zum DrehPunktKultur. Da gäb's ja Kostbarkeiten zurück bis zum Karajan'schen Boris Godunow...
Der jährliche Swarowski-Kristalltermin ist natürlich immer das Fressen schlechthin für Fotografen und Kameraleute. Die über und über mit Kristallen besetzte Handtasche – neuntausend, wir sagten's schon – gefällt der Präsidentin, und alle wollen ein Bild mit ihr und der Handtasche ergattern. Die Tasche ist für Toscas Auftritt in der Kirche im ersten Akt, erklärt Jan Meier. „Für den Grünmarkt“, kontert Helga Rabl-Stadler mit Schalk. Ein investigativer Kollege vom Fernsehen: Ob sie die Tasche wohl haben möchte? „Man muss nicht alles haben, was einem gefällt.“
Die Präsidentin hat den Kristall-Medienwirbel natürlich vorausgeahnt und stilvoll Swarowski-Ohrschmuck angesteckt. „Verträgt sich wunderbar mit echtem Schmuck“, strahlt sie und verrät dem DrehPunktKultur: Ihr Swarowski-Schmuck sei von Festspielbesuchern schon für echt gehalten worden.
Aber jetzt mal Kristalle für die Netrebko, vom Scheitel bis zur Sohle sozusagen. Das gesamte Sortiment an Accessoires wurde heute Donnerstag (5.8.) für Journalistinnen und Journalisten auf der Seitenbühne des Großen Festspielhauses zum Bewundern aufgelegt. Sogar auf den schwarzen Schuhen glänz es. Selbst auf der Engelsburg, wo Tosca im Ledermantel auftritt, hat sie eine kristallbesetzte Uhr am Handgelenk. Die bleibt hoffentlich unbeschädigt, weil Michael Sturmingers Inszenierung von den Osterfestspielen 2018 endet ja nicht mit dem Sprung in die Tiefe, sondern mit einer wüsten Ballerei, wenn wir uns recht entsinnen.