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Echter Beifall für echte Musik

STICH-WORT

18/12/20 Zweitausend Menschen – so viele haben im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins Platz. Macht viertausend Hände, und die klatschen traditionellerweise nicht nur beim Radetzkymarsch mit. Sie spenden den Wiener Philharmonikern und ihrem jeweiligen Dirigenten auch sonst lebhaft Beifall.

Von Reinhard Kriechbaum

Aber was sind schon zweitausend Leute in einem Kontertsaal gegen mehrere Millionen in neunzig Ländern? Das sollte ein Beifallssturm werden, der alle dynamischen Pegel sprengen könnte. Die Tontechniker werden schon wissen, welche Schieberegler sie im Notfall betätigen müssen, auf dass es die Lautsprecher der Stereoanlagen und auch die Fernsehgeräte in den Wohnzimmern dieser Welt nicht zerreißt.

Aber mal der Reihe nach: Neujahrskonzert mit Publikum? Geht heuer natürlich nicht. Das Neujahrskonzert einfach ausfallen lassen? Geht schon gar nicht. Riccardo Muti und die Wiener Philharmoniker im publikumsmäßigen Trockenschwimmkurs? Spielt's auch nicht. Wie also den Hörern daheim, die das auch unter diesen widrigen Umständen live stattfindende stattfindende Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker genießen, zu so etwas wie Gruppenerlebnis zu verhelfen?

Interaktivität – das ist Gebot der Mittagsstunde am 1. Jänner 2021. Der ORF hat sich mit dem Grazer Unternehmen Poet Audio zusammen getan, seines Zeichens Hersteller kabelloser Soundsysteme. Jeweils am Ende der beiden Konzertteile soll Live-Applaus von Tausenden Zuseherinnen und Zusehern eingesammelt und gebündelt werden. Ab sofort können sich Musikinteressierte rund um den Globus zur Teilnahme registrieren, um dann mit ihren Ovationen den Wiener Philharmonikern und Maestro Muti Tribut zu zollen. Muti dirigiert übrigens sein sechstes Neujahrskonzert, womit er Zubin Mehta überholt, mit dem er zuletzt gleichauf lag.

Wer sich registriert hat, wird live via Computer, Tablet oder Smartphone Beifall absondern können. Über sechs Server wird das Klatschen zusammengeführt. Und das werden dann nicht nur die Zuhörer/Zuschauer der ORF-Übertragung zu hören bekommen. Auf etwa zwanzig Lautsprechern von Poet Audio wird der Beifall auch in den Goldenen Saal selbst übertragen. Für die Wiener Philharmoniker und ihren Dirigenten fällt also auch eine positive Rückmeldung ab.

Aber was wäre Klatschen allein? Die Beifallspender können auch Fotos von sich hochladen, „was ihre Begeisterung auch optisch zum Ausdruck bringt“, wie es in einer Aussendung des ORF heißt. Solche Bilder will der ORF ebenfalls in den Beifall einblenden, und im optimalen Fall wird man daran sehen können, wie international die Clientel ist, die sich dem sofa-listening hingibt.

Von amerikanischen Vorabend-Soaps kennen wir eingeblendetes Lachen. Das klingt immer ein wenig gekünstelt. Vom Beifall zum Neujahrskonzert erwarten wir jedenfalls mehr Lebendigkeit. Treffen von zehn Menschen sind hierzulande - voraussichtlich - in der Silvesternacht erlaubt. Da könnte man ja auch am Neujahrstag noch ein Auge zudrücken. Vielleicht doch nicht nur Applaus übermitteln, sondern auch fröhliches Lachen und ein wenig Gläserklang?

Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker -  live am 1. Jänner 2021 um 11.15 Uhr in ORF 2 und Ö1. Wer einstimmen will in den Chor der öffentlichen Beifallspender, kann sich auf der Seite www.mynewyearsconcert.com registrieren
Bild: Wiener Philharmoniker / Terry Linke

 

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